Foto Permafrost-Expedition Hereon Tina Sanders
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Im Permafrost steckt mehr Stickstoff als gedacht

Ein Forscherteam mit Hereon-Beteiligung bestimmt Größe von klimarelevantem Stickstoffreservoir

Weltweit taut als Folge der globalen Erwärmung der Permafrost auf. So können klimawirksame Treibhausgase mit Kohlenstoff (Kohlendioxid, Methan) und Stickstoff (Lachgas) aus den Böden in die Atmosphäre gelangen. Für verlässlichere Klimaprognosen ist es wichtig, möglichst genaue Zahlen zur Speichermenge beider Stoffe zu haben. Während die Kohlenstoffreservoirs im Permafrost gut untersucht sind, ist über den Stickstoff wenig bekannt. Ein Forschungsteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts mit Beteiligung des Helmholtz-Zentrums Hereon hat nun die Größe des Stickstoffreservoirs bestimmt und berechnet, wieviel davon im Zuge des Klimawandels freigesetzt werden könnte. Die Ergebnisse hat das Team in der Zeitschrift Nature Communications vorgestellt.

Permafrost-Regionen erwärmen sich im Zuge des Klimawandels derzeit rund viermal schneller als der globale Durchschnitt. Deshalb tauen dort die seit der letzten Kaltzeit (ca. 100.000 bis 12.000 Jahre vor heute) gefrorenen Böden großflächig auf und geben Unmengen von abgestorbenen Pflanzenresten frei. Dadurch wird ein zuvor unzugänglicher Pool organischen Materials nach und nach „bioverfügbar“ und kann von Mikroorganismen zersetzt werden. Mit dem Abbau der Biomasse gelangen große Mengen Kohlenstoff als Treibhausgas in die Atmosphäre und beschleunigen die globale Erwärmung.

Einfluss auf den Klimawandel

Bild Permafrost-Expedition Hereon/ Tina Sanders

Auf der Lena-Expedition 2019 (CACOON Sea) Foto: Hereon/ Tina Sanders

„Vor allem wegen des Kohlenstoffs steht Permafrost besonders im Fokus der Klimaforschung. Zahlreiche Studien ergeben hier schon ein verlässliches wissenschaftliches Bild“, sagt Studienerstautor Dr. Jens Strauss, Leiter der Arbeitsgruppe Permafrost-Biogeochemie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Zu dem im Permafrost gespeicherten Stickstoff, der für das Klima ebenfalls hochrelevant ist, gibt es dagegen kaum belastbare Zahlen. Mit unserer Arbeit haben wir nun erstmals bestimmt, wieviel Stickstoff überhaupt im Permafrost bis in größere Tiefen enthalten ist.“

Das internationale Team mit Forschenden aus Deutschland, Finnland, den USA, Kanada und China konzentrierte sich dabei auf den Yedoma-Permafrost, eine vor allem in Ostsibirien und Alaska verbreitete Bodenvariante. Yedoma gilt wegen seines hohen Eisanteils als besonders klimasensibel. Erwärmt er sich, kann er großflächig kollabieren, rasch bis in viele Meter Tiefe auftauen und so deutlich mehr organisches Material aktivieren als andere Permafrostböden. Im Rahmen der Studie hat das Team um Jens Strauss mehr als 2.200 Bodenproben aus Sibirien und Alaska analysiert, den Stickstoffgehalt bestimmt und dann die Größe des Gesamtpools berechnet.

Stickstoff und Lachgas

„Unseren Ergebnissen nach enthält die Yedoma-Region insgesamt 41,2 Gigatonnen Stickstoff. Damit ist das Reservoir deutlich größer als es bisherige Schätzungen nahelegten“, erklärt Jens Strauss. „Von den 41,2 Gigatonnen sind 37 Gigatonnen – also rund 90 Prozent – derzeit gefroren und nicht bioverfügbar. Doch das wird sich im Zuge des Klimawandels ändern. Wir haben berechnet, dass in einem Zukunftsszenario mit weiterhin hohen Treibhausgasemissionen durch die Menschheit bis zum Jahr 2100 zwischen 4 bis maximal 16 Gigatonnen Stickstoff im Yedoma auftauen und so aktiviert werden könnten.“

Welche Folgen diese überraschend hohe Menge für das Klima hätte, hängt entscheidend von den Mikroorganismen im Boden ab. „Der dann bioverfügbare Stickstoff könnte das pflanzliche Wachstum ankurbeln, denn Pflanzen brauchen Stickstoff als Nährstoff. Die Pflanzen könnten, wenn sie an den Stickstoff gelangen, dann CO2 aus der Atmosphäre binden, der Effekt auf das Klima wäre also für einen gewissen Zeitraum positiv“, sagt Jens Strauss. „Durch den mikrobiellen Abbau könnten aber auch große Mengen N2O in die Atmosphäre freigesetzt werden. Dieses Distickstoffmonoxid – besser bekannt als Lachgas – ist ein 300-mal stärkeres Treibhausgas als CO2, hat also einen erheblichen Einfluss auf das Klima. Deshalb müssen weitere Studien zeigen, was genau mit dem aktivierten Stickstoffpool passieren wird.“

Dr. Tina Sanders, Wissenschaftlerin am Hereon-Institut für Kohlenstoffkreisläufe, Abteilung „Aquatische Stoffkreisläufe“, ergänzt dazu: „Ein Teil des freigesetzten Stickstoffs wird aber auch in die Flüsse ausgewaschen und gelangt so in den Arktischen Ozean. Der erhöhte Eintrag an Stickstoff wird dort die Produktivität und damit die Nahrungskette verändern. Welche Auswirkung das auf das Ökosystem hat, müssen wir noch weiter untersuchen.“

Weitere Informationen


  • Originalpublikation Jens Strauss, Christina Biasi, Tina Sanders, Benjamin W. Abbott, Thomas Schneider von Deimling, Carolina Voigt, Matthias Winkel, Maija E. Marushchak, Dan Kou, Matthias Fuchs, Marcus A. Horn, Loeka L. Jongejans, Susanne Liebner, Jan Nitzbon, Lutz Schirrmeister, Katey Walter Anthony, Yuanhe Yang, Sebastian Zubrzycki, Sebastian Laboor, Claire Treat and Guido Grosse: A globally relevant stock of soil nitrogen in the Yedoma permafrost domain. Nature Communications (2022).
  • Website Institut für Kohlenstoffkreisläufe
  • Website Coastal Pollution Toolbox Auf der Hereon-Seite der Coastal Pollution Toolbox gibt es eine ausführliche Beschreibung der Stickstofffreisetzung, Umsetzung und Transport in der Permafrost Region. Wir wollen verstehen, welche Folgen die Freisetzung auf das Ökosystem hat und wie sich der Eintrag in den Arktischen Ozean verändert.
  • News des Alfred-Wegener-Instituts (AWI)

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