Klima wandelt Herbst in Norddeutschland: Später, wärmer, grüner
Aktuelle Auswertungen des Norddeutschen Klimabüros am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht zeigen, wie sich die Temperaturen im Herbst in Norddeutschland mit dem künftigen Klima ändern können.
Anfang November befindet sich Norddeutschland in der Regel mitten im Herbst: Seit einiger Zeit läuft die Heizung, die Blätter fallen bunt gefärbt von den Bäumen und bald wird der Grünkohl geerntet. Aber wie sieht es in Zukunft aus?
Auswertungen des Norddeutschen Klimabüros am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht zeigen, wie sich der Herbst in Norddeutschland mit dem künftigen Klima ändern kann.
Es kann länger warm bleiben
Die zeitliche Verschiebung des ersten kühlen Herbstages (unter fünf Grad Celsius) zum Ende des Jahrhunderts (2070-2100) im Vergleich zu heute (1960-1990).
Dieser Klimarechnung liegt ein relativ schwacher Treibhausgasanstieg zu Grunde.
Verschiedenen regionalen Klimaberechnungen zufolge ist es plausibel, dass sich der Herbst in Norddeutschland Ende des Jahrhunderts etwa zwei bis drei Wochen später im Jahr ankündigt als bisher. So kann zum Beispiel der erste kühle Herbsttag, mit Temperaturen unterhalb von fünf Grad Celsius, etwa 14 bis 24 Tage später als heute auftreten.
Die Berechnungen weisen außerdem darauf hin, dass Ende des Jahrhunderts etwa drei zusätzliche Sommertage mit Temperaturen über 20 Grad Celsius zwischen September und Oktober auftreten können. Im Mittel kann der Herbst in Norddeutschland etwa zwei bis 4,5 Grad Celsius wärmer ausfallen als bisher.
Bedingt durch diese Veränderungen würden Urlaubsziele an Nord- und Ostseeküste auch in den Herbstferien für einen größeren Personenkreis attraktiv werden. Andererseits könnten dann Engpässe in der Trinkwasserversorgung und Gesundheitsgefährdungen durch Hitzestress bis in den Herbst andauern.
„In etwa 50 Jahren kann der September in der Metropolregion Hamburg sowie an Nord- und Ostsee im Mittel genauso warm werden wie heute der August“, so Dr. Insa Meinke, Leiterin des Norddeutschen Klimabüros am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht.
Verabschieden wird sich der Herbst aber voraussichtlich auch weiterhin stürmisch und regnerisch: Ende des Jahrhunderts kann es im November bis zu 30 Prozent mehr regnen und Windgeschwindigkeiten können um bis zu sechs Prozent zunehmen.
Zahlreiche Veränderungen des Ökosystems möglich
Ändern sich die Temperaturen in dieser Bandbreite, würde dies eine Vielzahl von weiteren Veränderungen für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten hervorrufen. „Die bisherige Temperaturerhöhung in Norddeutschland von 0,8 Grad Celsius im letzten Jahrhundert hat unter anderem bewirkt, dass Vegetationsperioden schon heute etwa zehn Tage länger andauern als noch vor 40 Jahren. Entsprechend später würde sich dann mit der künftig möglichen Erwärmung das Blattwerk im Jahr verfärben. Auch auf den Grünkohl müssten die Norddeutschen in Zukunft bis zu vier Wochen länger warten. Vorausgesetzt, dass Landwirte bis zum ersten Frosttag im Herbst abwarten, kann sich die Erntezeit von Grünkohl in Norddeutschland bis zum Ende des Jahrhunderts um zehn bis 28 Tage nach hinten verschieben.
Europaweit ist zu beobachten, dass Zugvögel ihre Routen verändern. Einige Zugvögelarten, wie zum Beispiel der Kranich, verlassen Norddeutschland in milden Jahren bereits heute nicht mehr. Wärmeliebende Pflanzenarten könnten Ihre Verbreitung Richtung Norden verlagern, während heimische Arten sich stärker Richtung Skandinavien verbreiten“, so Dr. Insa Meinke vom Norddeutschen Klimabüro des GKSS-Forschungszentrums Geesthacht. „Die Zukunft eines Ökosystems im Detail vorherzusagen ist aufgrund der Komplexität jedoch noch sehr schwierig, die Auswirkungen können auf jeden Fall massiv sein“, betont Meinke.
Möglicherweise weniger Heizkosten
Verschiedenen Berechnungen zufolge kann es im Herbst Ende des Jahrhunderts etwa vier bis sieben Frosttage weniger geben als heutzutage.
Die Berechnungen des Norddeutschen Klimabüros des Forschungszentrums Geesthacht gehen davon aus, dass in Zukunft die Heizungen im Norden Deutschlands erst vier Wochen später eingeschaltet würden. Geringere Energiekosten wären die Folge, denn in der Regel beginnt man heute erst nach einer Kälteperiode von drei aufeinander folgenden Nächten mit Temperaturen unter zwölf Grad Celsius die Heizung anzuschalten. Solche Kälteperioden könnten sich den Berechnungen zufolge im Vergleich zu heute bis zum Ende des Jahrhunderts um acht bis 28 Tage verspäten.
„Auch wenn wir dem erwarteten herbstlichen Klimawandel in unserem Raum durchaus positive Aspekte abgewinnen können, so überwiegen Szenarien für den Winter und Sommer, die uns vor starke Herausforderungen stellen", so Meinke. Dies sind insbesondere die möglicherweise starke Niederschlagsabnahme im Sommer sowie die anscheinend beachtliche Niederschlagszunahme im Winter und die mögliche Intensivierung der Winterstürme. Diese Änderungen setzten Mensch und Ökosysteme unter massiven Anpassungsdruck. „Es lohnt sich also den vom Menschen gemachten Klimawandel differenzierter zu betrachten", fasst Meinke zusammen.
Wissenschaftlicher Hintergrund und Ausblick
Die Aussagen zum zukünftigen Herbst in Norddeutschland basieren auf verschiedenen regionalen Klimarechnungen, die am Deutschen Klimarechenzentrum Hamburg und in verschiedenen EU-Projekten unter Beteiligung des GKSS-Instituts für Küstenforschung durchgeführt wurden. Diesen Berechnungen liegen unterschiedliche Treibhausgaskonzentrationen zugrunde. Deshalb haben alle Angaben Bandbreiten, innerhalb derer sich das Klima in Norddeutschland künftig ändern kann.
Das Norddeutsche Klimabüro ist Ansprechpartner für Fragen zum Klimawandel in Norddeutschland. Die Ergebnisse dieser Studie sind im Rahmen eines Klima-Atlas' für Norddeutschland entstanden, der gegenwärtig im Norddeutschen Klimabüro erarbeitet wird. Mit diesem Klima-Atlas sollen sich Entscheidungsträger in Norddeutschland schon heute einen Einblick darüber verschaffen können, wie sich das Klima vor Ort künftig ändern kann. Die Veröffentlichung des gesamten Atlas ist für Frühjahr 2009 geplant.
Die Gründung des Norddeutschen Klimabüros des GKSS-Forschungszentrums Geesthacht erfolgte aus einem deutlich gewordenen Defizit in der Kommunikation zwischen Klimaforschern und den Anwendern der Forschungserkenntnisse. Letztgenannte sind Entscheidungsträger in Behörden, der Politik sowie der Wirtschaft. Dazu gehören unter anderem der Küstenschutz, Land- und Energiewirtschaft, Fischerei, Fremdenverkehr und Gesundheit.
Nach dem erfolgreichen Start des Norddeutschen Klimabüros am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht hat die Helmholtz-Gemeinschaft 2008 ein deutschlandweites Netz regionaler Klimabüros aufgebaut.
Im Rahmen der Exzellenzinitiative (CliSAP) des Bundes errichtete die Universität Hamburg den KlimaCampus Hamburg. In diesem Zusammenhang wurde das Norddeutsche Klimabüro weiter ausgebaut. Im Rahmen der Exzellenzinitiative wird derzeit mit tatkräftiger Hilfe der Geesthachter Klimaforscher ein Klimabericht für die Metropolregion Hamburg erarbeitet – erste Ergebnisse werden Ende 2009 erwartet.