Frühwarnsystem für Hitzewellen erforderlich
Nach dem kalten Winter hat nun die Hitze Deutschland fest im Griff. Alles deutet darauf hin, dass der Juli 2010 als heißester Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte eingehen wird. Die Hitzewelle kam so überraschend wie der vergangene extreme Winter. Denn bislang gibt es noch keine zuverlässigen Instrumente zur Prognose extremer saisonaler Wetterereignisse. Das Climate Service Center des GKSS-Forschungszentrums Geesthacht empfiehlt eine Weiterentwicklung der entsprechenden Vorhersagemodelle.
Temperaturbweichungen im ersten Halbjahr 2010: Die Weltkarte des US-amerikanischen Wetterdiensts NOAA zeigt, welche Regionen der Welt im ersten Halbjahr 2010 wärmer waren als sonst (Vergleich der Durchschnittstemperaturen mit dem Zeitraum von 1971 bis 2000). Rot steht für wärmere Temperaturen als im Durchschnitt, blau steht für kältere. Je dicker die Punkte, desto höher die Temperaturdifferenz. Abb.: NOAA
Derzeit ist es nicht möglich, für Europa verlässliche Jahreszeitenprognosen zu treffen und etwa extrem heiße Sommer oder Hitzewellen vorherzusehen. Dies wäre jedoch dringend notwendig, um wirkungsvolle Anpassungsmaßnahmen vorzubereiten und negative Folgen für Mensch und Umwelt damit zu reduzieren. So starben in Folge der Hitzewelle 2003 in Europa weit über 30.000 Menschen, in der Landwirtschaft waren erhebliche Ernteausfälle zu beklagen.
Vieles spricht in diesem Jahr für einen ähnlich heißen Sommer wie vor sieben Jahren. Nicht nur in Deutschland war es in den vergangenen Wochen ungewöhnlich heiß – auf dem gesamten Globus war es wärmer als sonst zu dieser Jahreszeit. Das belegen aktuelle Daten des US-Wetterdiensts NOAA.
Während es für die tropischen Regionen der Welt, insbesondere im indopazifischen Raum, relativ verlässliche Jahreszeitenvorhersagen gibt, ist es bisher nicht möglich, für den europäischen Raum über eine Zeitspanne von wenigen Monaten hinweg zuverlässige Prognosen am Computer zu errechnen. Denn das europäische Wetter wird durch eine Reihe äußerst dynamischer Zustände in der Atmosphäre beeinflusst, wie etwa durch die Nordatlantische Oszillation (NAO).
Darunter versteht man die Schwankungen der Luftdruckdifferenz zwischen dem Island-Tief und dem Azoren-Hoch. Die NAO sorgt dafür, dass Westwinde die vom Golfstrom erwärmte Luft nach Europa bringen. In der Wintersaison ist das Wetter in Europa stark von der NAO geprägt. So ging der sehr kalte Winter 2009/2010 etwa mit einer negativen Phase der NAO einher. Das bedeutet: Die beiden Druckgebiete waren nur schwach ausgebildet, wodurch sich auch die Westwinde abschwächten und kalte Polarluft aus Norden weit nach Mitteleuropa vordringen konnte.
„Im Sommer ist jedoch der Zusammenhang zwischen dem Wetter in Deutschland und der Nordatlantischen Oszillation nur gering und insgesamt schwerer einzuschätzen“, sagt Mojib Latif, Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel.
Bessere Modelle für zuverlässigere Aussagen
Abweichungen von der mittleren Temperatur der Erdoberfläche in den ersten Halbjahren seit 1880 bezogen auf die globale Durchschnittstemperatur des Zeitraums 1971 bis 2000. Abb.: NOAA
„Noch sind die Modelle, die mittelfristige saisonale Prognosen erstellen für den europäischen Raum zu ungenau“, warnt Prof. Guy Brasseur, Direktor des am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht neugegründeten Climate Service Center. Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Vorhersagen verschiedener Institute wider.
Während Meteo France im Juni vermeldete, dass die Monate Juli und August in Westeuropa außergewöhnlich warm werden würden, sagten Berechnungen des American International Research Institute for Climate and Society an der New Yorker Columbia University für den gleichen Zeitraum zwar für den Mittelmeerraum anormal hohe Temperaturen voraus, für Deutschland wurden jedoch keine signifikanten Abweichungen der Temperatur und des Niederschlags vom Normalzustand angezeigt.
Um in Zukunft verlässliche Aussagen über die Entwicklung des Wetters in Deutschland für die nächsten drei Monate zu treffen, ist es deshalb dringend erforderlich, die vorhandenen Vorhersagemodelle weiterzuentwickeln. „Das ist noch ein recht junger und wenig ausgereifter Forschungsbereich“, sagt Prof. Brasseur. „Das Climate Service Center möchte dazu beitragen, die Wissenslücken zu füllen.“
Mit einem geeigneten Frühwarnsystem ließe sich beispielsweise verhindern, dass bei extremer und lang anhaltender Kälte wie im vergangenen Winter die Streusalzvorräte nicht ausreichen. Und im Vorfeld einer Hitzewelle könnten unter anderem in Krankenhäusern und Pflegeheimen rechtzeitig geeignete Vorsorgemaßnahmen getroffen werden.
Weitere Informationen
Pressemitteilung NOAA "June, April to June, and Year-to-Date Global Temperatures are Warmest on Record" (englisch)
Kontakt
Tel: +49 (0)40 226 338-415
Hintergrund
Das im Auftrag der Bundesregierung am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht gegründete Climate Service Center agiert überregional und versteht sich als nationaler Dienstleister zur Vermittlung von Wissen über das Klima, den Klimawandel und dessen Folgen für Umwelt und Gesellschaft. Es wendet sich sowohl an Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik als auch an die Öffentlichkeit.
Zur Erfüllung seines Auftrags stützt es sich auf ein Netzwerk von Kooperationspartnern, dass die in Deutschland vorhandenen universitären und außeruniversitären Forschungsinstitutionen und weitere Klimaberatungs Einrichtungen umfasst.