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Schiffsemissionen

Anfang Oktober diesen Jahres stieß das unter der Flagge Liberias fahrende Containerschiff “Yang Ming Utmost” beim Auslaufen aus dem Hamburger Hafen eine riesige Rauchwolke aus. Dieser Vorfall machte das Thema Schiffsabgase für jedermann, der sich in der Nähe aufhielt, sichtbar. Tatsächlich spielen die von Schiffen ausgehenden Emissionen für die Luftqualität in der Nordseeregion eine bedeutende Rolle. Das haben HZG-Wissenschaftler der Abteilung „Chemietransportmodellierung“ des Institutsteils „Biogeochemie im Küstenmeer“ um Leiter Dr. Volker Matthias anhand einer umfassenden Analyse belegt.

Frachtschiff mit starken Emissionen aus dem Schiffsschlot

Abgase aus dem Schiffsschlot: Sie sind für rund ein Viertel der Schwefeldioxid- und Stickoxidkonzentration in der Nordseeluft verantwortlich. (Copyright: istockphoto)

Anfang Oktober diesen Jahres stieß das unter der Flagge Liberias fahrende Containerschiff “Yang Ming Utmost” beim Auslaufen aus dem Hamburger Hafen eine riesige Rauchwolke aus. Dieser Vorfall machte das Thema Schiffsabgase für jedermann, der sich in der Nähe aufhielt, sichtbar. Rußpartikel rieselten auf Passanten nieder, Feuermelder schlugen Alarm. Tatsächlich spielen die von Schiffen ausgehenden Emissionen für die Luftqualität in der Nordseeregion – wie auch in den Meeresregionen weltweit – eine bedeutende Rolle.

Schiffsabgase sind an der Nordseeküste für rund ein Viertel der Schwefeldioxid- und Stickoxidkonzentration in der Luft verantwortlich. Das haben HZG-Wissenschaftler der Abteilung „Chemietransportmodellierung“ des Institutsteils „Biogeochemie im Küstenmeer“ um Leiter Dr. Volker Matthias anhand einer umfassenden Analyse belegt.

20 bis 30 Prozent der Schwefel- und Stickoxide stammen aus der Schifffahrt

Für ihre Untersuchung haben sich die Wissenschaftler jedes einzelne kommerziell genutzte Schiff, das im Jahr 2011 auf der Nordsee unterwegs war, genauer angeschaut. Sie betrachteten die Größe, den Schiffstyp, die Motorenart, den Kraftstoffverbrauch und die Route. Hierbei nutzten sie aus, dass größere Schiffe verpflichtet sind, ihre Position laufend mitzuteilen, indem sie sog. AIS (Automatic Identification System) Signale senden. Das umfangreiche Datenmaterial wurde zur Erstellung eines Emissionsinventars von Seeschiffen verwendet.

Zusammen mit Daten über alle vom Land ausgehenden Emissionen in die Atmosphäre, z.B. aus Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Haushalten, wurden die Schiffsemissionen dann in das von den Wissenschaftlern betriebene, computergestützte Chemietransportmodell eingespeist. Das Modell berechnet den Transport und die chemische Umwandlung aller Schadstoffe auf einem vorgegebenen dreidimensionalen Gitter. Insbesondere die Wechselwirkungen der Stoffe aus verschiedenen Quellen und der Einfluss der meteorologischen Bedingungen auf die Schadstoffkonzentrationen können so betrachtet werden.

Die Simulationen ergaben, dass zurzeit etwa 20 bis 30 Prozent der in der Nordseeluft nachzuweisenden Schwefel- und Stickoxidkonzentrationen auf die Schifffahrt zurückzuführen sind. Grund ist einerseits der Einsatz von schwefelreichem Schweröl, andererseits die Tatsache, dass Abgasreinigungssysteme in der Schifffahrt nicht vorgeschrieben und daher auch nicht verbreitet sind. Und auch wenn der Schiffsverkehr in Bezug auf Kohlendioxid-Emissionen einer der umweltfreundlichsten Verkehrsträger ist, betreibt der Großteil der Schiffe seine Motoren mit dem im Vergleich zu schwefelarmen Varianten deutlich preisgünstigeren Schweröl.

Ohne Maßnahmen 25 Prozent mehr Schadstoffe bis 2030

Es stellt sich also die Frage, wie der Schadstoffausstoß aus der Schifffahrt effizient reduziert werden kann. Um herauszufinden, ob und in welchem Maße sich der Schadstoffausstoß mittels gesetzlicher Vorschriften eindämmen lässt, haben die Forscher um Volker Matthias vier verschiedene Szenarien entwickelt. Die Forscher testeten anhand der Szenarien den Einfluss konkreter gesetzlicher Maßnahmen auf die möglichen zukünftigen Schadstoffkonzentration in der Atmosphäre. Dabei haben sie sich besonders auf die Entwicklung der Stickoxidemissionen konzentriert, für die eine Verschärfung der von der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) vorgegebenen Regeln im Nordseeraum zur Diskussion steht.

Das erste Szenario geht davon aus, dass die bereits bestehenden Schiffsabgas-Richtlinien nicht verschärft werden, Szenario Zwei und Drei beinhalten schärfere Regeln für Stickoxidemissionen von Schiffsneubauten, einmal mit Einführungsdatum 1.1.2016, einmal 5 Jahre später. Das vierte Szenario sieht vor, dass bis 2030 alle Schiffe auf der Nordsee den eigentlich nur für Neubauten geltenden strengeren Emissionsgrenzwerten folgen.

Schiffsverkehr wird weiter zunehmen

Allen Szenarien gemein ist die Annahme, dass der Schiffsverkehr weiter zunehmen wird und dabei immer größere Schiffe eingesetzt werden. Ebenso findet Berücksichtigung, dass alte Schiffe nach und nach durch neue, auch nach jetziger Rechtslage sauberere Schiffe ersetzt werden. In Szenario Eins, also ohne weitere Verschärfung der Vorschriften, ergeben die Berechnungen, dass der Anteil der Schifffahrt an den Konzentration von Stickoxiden in der Atmosphäre im deutschen Nordseeraum aufgrund des steigenden Schiffsverkehrs bis 2030 um etwa 25 Prozent ansteigen würde.

Auch die Einführung der bereits beschlossenen Regulierung des Schwefelgehalts im Treibstoff, die ab dem 1.1.2015 gilt, kann den Forschern zufolge die Verschlechterung der Luftqualität in den Küstengebieten nicht stoppen. Die Schiffe stoßen nach wie vor hohe Mengen an Stickoxiden aus. Diese sind Vorläufergase für Aerosolpartikel und im Sommer auch für das giftige Ozon.

Spezielle Auflagen in der Nordsee nur für Schwefel

Auch Szenario Zwei und Drei machen deutlich: Schon um den Status Quo zu erhalten, müssten strengere Richtlinien durchgesetzt werden. Die Einführung der sogenannten „Tier III“-Abgas-Regulierungen für Stickoxide bei Neubauten ab dem 1.1.2016 wäre ein erster Schritt. Um die Vorgaben zu erfüllen, müssen neue Schiffe entweder mit dem emissionsarmen Treibstoff Flüssiggas (LNG, Liquefied Natural Gas) betrieben werden oder aber beim Einsatz von konventionellem Schweröl Filteranlagen und Katalysatoren einsetzen.

Jedoch gelten die „Tier III“ Richtlinien nur für sogenannte Emission Control Areas, also Emissionskontrollgebiete. Das sind Sonderzonen in Schifffahrtsgewässern, für die spezielle Umweltauflagen hinsichtlich Emissionen und Abfall- bzw. Brauchwasserentsorgung vereinbart wurden. Die Nordsee ist bisher nur zum Emissionskontrollgebiet für Schwefel erklärt worden – nicht aber für Stickoxide. Eine entsprechende Erweiterung müsste Deutschland zusammen mit den weiteren Nordseeanrainerstaaten erst noch beschließen.

Einzig im vierten Szenario ist eine Verbesserung der Luftqualität gegenüber heute zu erkennen. Dieses Ziel ist laut Volker Matthias allerdings nur zu erreichen, wenn bis zum Jahr 2030 alle existierenden Schiffe umgerüstet werden und nicht nur die Neukonstruktionen die „Tier III“ Richtlinien erfüllen müssen. Eine technisch und wirtschaftlich oft nur schwer zu realisierende Option.

Wind als Alternative zu Schweröl

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Neben dem Antrieb durch Flüssiggas wäre beispielsweise auch die Nutzung von Wind als Antrieb für die Handelsschifffahrt eine denkbare Alternative zum Schweröl. Auch in diesem Forschungsbereich sind Volker Matthias und seine Kollegen der Abteilung „Chemietransportmodellierung“ aktiv. Zusammen mit 18 Partnern aus sieben Staaten und Vertretern aus Wirtschaft und Behörden erforschen sie im Rahmen des EU-Projekts „SAIL“, wie sich der Einsatz von Segeln technisch und wirtschaftlich als Zusatzantrieb in der kommerziellen Schifffahrt verstärkt fördern lässt.

Konkret bearbeiten Volker Matthias und sein Team im Projekt die Fragestellung, wo sich der Wind in der Nordsee besonders effektiv nutzen lassen könnte. Vor dem Hintergrund, dass neben den Emissionen auch die Kosten beispielsweise für Treibstoff stetig ansteigen, ein nicht nur für die Umwelt, sondern vielleicht auch für die Wirtschaft lohnendes Projekt.

Hintergrund

Logo CNSS Clean North Sea Shipping

In der Abteilung „Chemietransportmodellierung“ des Institutsteils „Biogeochemie im Küstenmeer“ am Helmholtz-Zentrum Geesthacht erforschen die Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Volker Matthias Ausstoß, Transport und Verbleib von Schadstoffen, Nährstoffen und langlebigen Chemikalien in der Atmosphäre. Die Untersuchungen zu den Schadstoffemissionen kommerziell genutzter Schiffe sind eingebettet in das EU-Projekt Clean North Sea Shipping (CNSS). Im Rahmen dieses Projektes entwickeln Volker Matthias und sein Team ein detailliertes Schiffsemissionsregister für die Nordsee sowie Emissionsszenarien für die Zukunft. Sie analysieren den Anteil der Schifffahrt an der Konzentration von atmosphärischen Schadstoffen im Küstenraum und die technischen Möglichkeiten zur Emissionsminderung.

Wesentliches übergreifendes Ziel des vom Land Schleswig-Holstein und dem Hordaland County Council in Norwegen initiierten Projektes CNSS ist es, Konzepte für Technologien und wirtschaftliche Anreizsysteme zu entwickeln, um den Emissionsausstoß von Schiffen zu reduzieren.

Weitere Informationen


Kontakt


Dr. Volker Matthias
Dr. Volker Matthias Abteilungsleiter Chemietransportmodellierung

Tel: +49 (0)4152 87-2346

E-Mail Kontakt

Helmholtz-Zentrum Geesthacht

Pressemitteilungen aus dem Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht zum Thema Schiffsabgase und alternative Antriebe in der Schifffahrt: