Leben an der Elbe: Befragung zu Heimat, Behördenplanungen und Engagement
Die Abteilung „Sozioökonomie des Küstenraumes“ am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) überprüft anhand einer Befragung Herausforderungen und Chancen für ein integriertes Management der rund 140 Kilometer langen Tideelberegion. Die im Auftrag der Hamburg Port Authority (HPA) durchgeführte Studie zeigt unter anderem, dass sich die Menschen an der Elbe mehr Naturschutz für die Elbe wünschen, sich jedoch selbst kaum aktiv an Planungsprozessen beteiligen.
Die Menschen wünschen sich mehr Naturschutz für die Elbe. Foto: HZG
Ebbe und Flut beeinflussen das Mündungsgebiet der Elbe von Cuxhaven über den Hamburger Hafen bis zum Wehr in Geesthacht. Dieses, auch Tideelberegion genannte Gebiet ist insbesondere für die Hafen- und Logistikunternehmen ein wichtiger Wirtschaftsraum. Gleichzeitig ist es Lebens- und Erholungsraum für Mensch und Tier. Planungen und Maßnahmen wie Fahrrinnenanpassungen, Deichbau oder Großkraftwerke erfordern vor dem Hintergrund, dass rund 90 Prozent der Wasser- und Vordeichflächen als europäische Schutzgebiete gemeldet sind, ein besonders umsichtiges Management dieser circa 140 Kilometer langen Region an der unteren Elbe.
In Bezug auf die Tideelbe wissen die unterschiedlichen Interessengruppen meist sehr genau, wofür sie sich einsetzen wollen. Naturschützer wollen die Lebensräume an der Unterelbe mit ihren Pflanzen und Tieren schützen. Die Hamburg Port Authority (HPA) tritt für die Hafenwirtschaft und die zugehörigen Unternehmen ein. Doch was wünschen sich die rund zwei Millionen Bürger, die entlang der Elbe leben? Wie nutzen sie den Fluss und wofür setzen sie sich ein?
Studienleiterin Barbara Weig bei der Befragung. Foto: HZG
Mitarbeiter der Abteilung Sozioökonomie des Küstenraumes aus dem Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht haben dazu im Frühjahr 2012 mehr als 800 Passanten in ausgewählten Orten entlang der Tideelbe befragt. Ergänzend wurde durch die forsa - Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analyse mbH eine Telefonbefragung in rund 500 Hamburger Haushalten durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragung sind ein Ausgangspunkt für eine von der HPA angestrebte stärkere Beteiligung der Anwohner am nachhaltigen Management des Unterlaufs der Elbe.
Spätestens wenn konkrete Planungen starten, sollten einige Dinge geklärt sein: „Oft wird eine gemeinsame Planungsgrundlage schon dadurch behindert, dass Begriffe nicht verstanden werden“, erklärte die Diplom-Geografin des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und Studienleiterin Barbara Weig. „In unserer Befragung kam heraus, dass sich viele Bewohner unter den von Behörden oft benutzten Begriffen wie z.B. Ästuar, Gewässerunterhaltung oder Natura2000 etwas ganz anderes vorstellen, als es der sachlich korrekten Definition entspricht.“ Eine gemeinsame Sprache zu finden und Begriffe eindeutig zu definieren, ist daher ein erster Schritt für ein gutes Tideelbemanagement.
Wichtiger Wirtschaftsfaktor für Hamburg: der Hafen Foto: HZG
75 Prozent der befragten Tideelbebewohner wünschen sich für die Zukunft keine weiteren Eingriffe in die Natur der Elbe, dafür mehr Naturschutz und Renaturierung. Auf der anderen Seite spielt aber auch die Erhaltung der Arbeitsplätze eine große Rolle. 92 Prozent aller Befragten halten den Hamburger Hafen für wichtig bzw. sehr wichtig. Dies bedeutet, dass immer wieder Kompromisse gefunden werden müssen. Allerdings engagieren sich nach eigener Aussage nur knapp zehn Prozent der befragten Tideelbebewohner bei offiziellen Planungs- und Gestaltungsprozessen in der Region, unter anderem weil ihnen die Sachverhalte zu komplex erscheinen und sie meinen, die Planung sollte besser von Experten durchgeführt werden. Demgegenüber geben jedoch rund 80 Prozent der Interviewten an, dass sie sich für die Erhaltung ihrer Heimat einsetzen, zum Beispiel mit Umweltschutz, dem Verzicht auf das Auto, dem Kauf von Regionalprodukten oder mit aktiver Werbung für die Region.
Mehr über den Wert der Region zu erfahren oder generell herauszufinden, was das Besondere der Region ist, könnte für zukünftige Planungen wichtig sein. Dazu die Leiterin der Abteilung „Sozioökonomie des Küstenraumes“ Prof. Dr. Beate Ratter des Helmholtz-Zentrums Geesthacht: „Wenn die Vorstellungen der Bevölkerung frühzeitig in die Planungen einfließen und ihre Interessen berücksichtigt werden, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Entscheidungen und Maßnahmen der Behörden mitgetragen werden.“ Denn heute erscheinen den Befragten die Entscheidungen der Behörden intransparent, kurzfristig und interessengeleitet zu sein, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage.
Das könnte sich aber ändern. Denn, wie die Studie aufzeigt, fühlen sich die Menschen, die in der Region leben, insgesamt wohl und an der Tideelbe zu Hause. Der Wille, sich persönlich für die nachhaltige Entwicklung der Region einzusetzen, ist in der Bevölkerung vorhanden. Jetzt komme es darauf an, so lauten die Empfehlungen der Geesthachter Wissenschaftler, diese internen Kräfte zu mobilisieren und gemeinsam die Region zu gestalten.
Weitere Informationen
„Die Tide-Elbe — ein Kultur-, Natur- und Wirtschaftsraum aus Sicht der Bevölkerung“
HZG-Report 2012-4; Autoren: Beate Ratter und Barbara Weig; Abteilung Sozioökonomie des Küstenraumes, Institut für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht