Umweltgifte auf Wanderschaft in das Antarktische Binnenland
Beprobung von Schnee am „Dome Concordia“ im antarktischen Sommer 2016. [Foto: A. Thollot und Olivier Magand/Institut des Géosciences de l’Environnement (IGE), FRANCE]
Der Mensch hinterlässt nicht nur Fußspuren im Schnee: Nahezu in allen Regionen der Welt lassen sich vom Menschen produzierte Chemikalien nachweisen, auch in den Polarregionen. Jetzt hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern organische Schadstoffe nicht nur in der antarktischen Küstenregion entdeckt, sondern auch im „ewigen Eis und Schnee“ im Binnenland der Antarktis.
Dr. Zhiyong Xie, Wissenschaftler im Helmholtz-Zentrum Geesthacht, hat zusammen mit Kollegen vom französischen Institut des Géosciences de l’Environnement (IGE) Schneeproben auf organische Schadstoffe hin untersucht.
Langstreckentransport von Chemikalien
Bei der Probennahmen, im Hintergrund die Station. [Foto: Olivier Magand/Institut des Géosciences de l’Environnement (IGE), FRANCE]
Die rund 1.000 Kilometer von der Küste entfernte Antarktis Forschungsstation „Dome Concordia“ bildete den Ausgangspunkt für die Probennahme des antarktischen Schnees. Das Französisch-deutsche Team konnte darin mehrere Arten organischer Schadstoffe nachweisen. Ihre Ergebnisse ergänzen die zunehmenden Hinweise darauf, dass Organophosphatester-Flammschutzmittel (OPEs), perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) über lange Strecken transportiert werden und für die antarktischen Ökosysteme zur Bedrohung werden.
Dr. Zhiyong Xie: „Schon zuvor wurden in den Küstenregionen der Antarktis organische Schadstoffe gemessen. Winde und Meeresströmungen tragen diese dann weiter in abgeschiedene Gebiete, dort bleiben sie praktisch für immer in der Natur.“
Ersatzstoff GenX zum ersten Mal nachgewisen
Probennahme des antarktischen Schnees. [Foto: Olivier Magand/Institut des Géosciences de l’Environnement (IGE), FRANCE]
Jetzt fanden die Forscher durch Analyse der Konzentrationen und Komponentenmerkmale von OPEs, PFAS und PAKs heraus, dass die organischen Schadstoffe von den Küsten ins Landesinnere der Antarktis transportiert werden. Relativ hohe Konzentrationen von chlorierten OPEs wurden nachgewiesen. PFOA war die dominierende Verbindung der PFAS, gefolgt von den derzeit in der Industrie verwendeten kurzkettigen PFAS, z.B. Perfluor-n-Hexansäure (PFHxA), Perfluor-n-Heptansäure (PFHpA) und Perfluor-n-Pentansäure (PFPeA).
Zum ersten Mal in der Antarktis nachgewiesen wurde die als Ersatzstoff eingesetzte Chemikalie GenX oder HFPO-DA (2-(Heptafluorpropoxy)propansäure). Erst vor kurzem haben Küstenforscher des HZG GenX zum ersten Mal auch in der Arktis nachgewiesen.
„Wir haben signifikante Korrelationen zwischen HFPO-DA und den kurzkettigen PFASs beobachtet“, erklärt Dr. Zhiyong Xie. „Das deutet darauf hin, dass die Schadstoffe ähnliche Emissionsquellen und ein weitreichendes Transportpotenzial haben. HFPO-DA wird so wie PFOA zu einem neuen Problem für die polare Umwelt werden.“
Tourismus und Schifffahrt werden sich auswirken
Blick auf die Antarktis Forschungsstation „Dome Concordia“. [Foto: Olivier Magand/Institut des Géosciences de l’Environnement (IGE), FRANCE]
Der globale Klimawandel wird den Prozess des Auffangens und der Freisetzung organischer Schadstoffe durch Schneeablagerung und -schmelze beeinflussen und Austauschprozesse zwischen Land, Wasser und Luft verstärken. Darüber hinaus wirken sich menschliche Aktivitäten, etwa Tourismus und Schifffahrt, auf die lokale Umwelt aus.
Davon ausgehend sollen jetzt neue Forschungsprogramme initiiert werden, um die geochemischen Prozesse zwischen Luft, Wasser und Schnee besser zu erforschen. Die Studien sollen über den weiträumigen Transport und die Umverteilung der Altlasten sowie neuen organischen Schadstoffe von der Küste ins antarktische Binnenland aufklären.
Die Originalpublikation:
- Occurrence of legacy and emerging organic contaminants in snow at Dome C in the Antarctic. Zhiyong Xie*, Zhen Wang, Olivier Magand, Alban Thollot, Ralf Ebinghaus, Wenying Mi, Aurelien Dommergue (2020), Science of the Total Environment, 741, 140200. DOI: 10.1016/j.scitotenv.2020.140200
Kontakt:
Helmholtz-Zentrum Geesthacht