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Internationaler Austausch über Umweltprobleme der chinesischen Küstengewässer

Menschengemachte Umweltprobleme sind Herausforderungen in vielen Ländern der Erde. Den aktuellen Zustand der Küstengewässer in China und Deutschland erörtern vom 30. August an rund 40 Wissenschaftler beider Staaten in Hamburg.

Menschengemachte Umweltprobleme sind Herausforderungen in vielen Ländern der Erde. Den aktuellen Zustand der Küstengewässer in China und Deutschland erörtern vom 30. August an rund 40 Wissenschaftler beider Staaten in Hamburg. Im Rahmen des Sino-German Workshops 2016 sollen drei Tage lang Fragen zu neuartigen Schadstoffen im Allgemeinen sowie Öl- und Luftverschmutzung im Speziellen diskutiert werden. Die Forscher stellen außerdem neue Entwicklungen im Bereich der Beobachtungs- und Modelliertechniken sowie Konzepte zur Bewertung des Umweltzustandes vor. Ausrichter des Workshops sind das Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) und das Yantai Institut für Küstenzonenforschung (YIC) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.

Algenblüte an Chinas Küste

Algenblüte an Chinas Küste. (Foto: Xuanzheng YUAN, Qianguo XING)

Ein Schwerpunkt des Workshops ist die Gegenüberstellung der jeweiligen Belastungsentwicklung in China und Europa. Umweltprobleme wie Algenblüten, die beispielsweise in Deutschland über Jahrzehnte hinweg auftraten, konnten durch geeignete Maßnahmen teils gelöst oder verbessert werden. Ähnliche Herausforderungen werden nun vermehrt in China beobachtet – teils in deutlich höherer Geschwindigkeit und mit extremen Belastungswerten. Ziel ist es, bereits erfolgreiche Lösungsansätze auf andere Gebiete zu übertragen und vor Ort vielversprechend anzuwenden.

Relevanz der Küstengebiete

Algenblüte an Chinas Küste

Algenblüte im Gelben Meer in China. (Foto: Xuanzheng YUAN, Qianguo XING)

Bereits heute lebt etwa die Hälfte der Menschheit in der Nähe von Küstengebieten. Die wirtschaftliche Entwicklung am Beispiel China ist hoch: Industrieproduktion, Häfen und die Bevölkerung wachsen rasant. Dies gilt insbesondere für Megacitys wie Shanghai, Hongkong und Guangzhou, die an den Flussmündungen des Yangtze und dem Perlstrom liegen. Allein in diesen chinesischen Ballungsräumen an der Küste leben etwa so viele Menschen wie in ganz Deutschland. „Diskussionen zum Nutzen und gleichzeitigen Schutz dieser Gebiete sind dementsprechend wichtig, der internationale Austausch von bedeutender Relevanz“, sagt Prof. Kay-Christian Emeis, Leiter am Institut für Küstenforschung des HZG und Organisator des Workshops.

Im Fokus stehen Einträge von Schadstoffen und Nährstoffen in die Küsten- und Meeresökosysteme. Neben der Luftverschmutzung stellen sie in den großen Städten ein besonders drängendes Problem der chinesischen Umweltpolitik dar.

Elf Forschungseinrichtungen beteiligt

Neben dem YIC kommen weitere chinesische Forscher von der Qingdao-Universität, der staatlichen Meeresüberwachungsbehörde in Dalian, vom Fischereiforschungsinstitut für das Gelbe Meer und der Xiamen-Universität nach Hamburg. Von deutscher Seite sind neben dem Institut für Küstenforschung des HZG auch das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, das Leibnitz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), das Johann Heinrich von Thünen-Institut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei sowie das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg beteiligt.

Weiterführende Informationen


Interview mit Dr. Zhiyong Xie, Wissenschaftler am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht.

  • HZG Der Workshop „Biogeochemische Belastungen und ihr Einfluss auf marine Ökosysteme in China und Europa“ zielt unter anderem darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern aus Europa/Deutschland und China zu fördern. Warum ist Zusammenarbeit besonders im Bereich der Meereswissenschaften so wichtig?
  • Zhiyong Xie Die Meeres- und Küstenumwelt spielt eine zunehmend wichtige Rolle für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und der Wirtschaft. Ein grundlegendes Verständnis der Meeresumwelt, eine vernünftige Nutzung mariner Ressourcen, effektiver Schutz der Meeresumwelt und die nachhaltige Entwicklung der marinen Umwelt und ihrer Ressourcen haben sich für Küstenanrainerstaaten wie China und Deutschland als wichtige Ziele herausgestellt. Meereswissenschaften und marine Technologien sind zur Erweiterung unseres Wissens über natürliche Prozesse unabdingbar und können die wissenschaftliche Grundlage für Entscheidungsfindungsprozesse im Bereich der nachhaltigen Entwicklung legen, sowie dabei helfen, das integrierte Küstenmanagement zu verbessern.
  • HZG In welchen Wissensgebieten tauschen sich China und Deutschland aus?
  • Zhiyong Xie Abgesehen von traditionellen Formen der Zusammenarbeit wie dem Austausch von Personal und Schulungen, können gemeinsame Forschungsprogramme eingerichtet werden, die der Untersuchung vom Gebieten dienen in denen beiderseitiges Interesse besteht. In Europa, beispielsweise, schwindet der menschliche Einfluss und für viele herkömmliche problematische Kunststoffe gibt es gesetzliche Bestimmungen. China ist dagegen ein Land, in dem umfangreiche und sich schnell entwickelnde industrielle und landwirtschaftliche Aktivitäten in großen Flusseinzugsgebieten Nährstoffe, Schadstoffe und andere problematische Substanzen in die küstennahe Umwelt eintragen. Die chinesischen Wissenschaftler können von ihren deutschen und europäischen Kollegen lernen, wie sie ihr Wissen und die erfolgreichen Fallbeispiele der Nord- und Ostsee auf die Entwicklung einer nachhaltigen Küsten- und Meeresumwelt in China übertragen können. Gleichzeitig können die deutschen Wissenschaftler durch enge Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen Strategien und Technologien weiterentwickeln um neu entstehende, von Entwicklungsländern verursachte Meeresumweltprobleme anzugehen.
  • HZG Worin unterscheiden sich die Forschungslandschaften in China und Europa/Deutschland hauptsächlich und was sind in beiden Ländern die größten meereswissenschaftlichen Herausforderungen?
  • Zhiyong Xie In Deutschland sind Wissenschaft und Forschung durch eine exzellente Infrastruktur, eine große Vielzahl von Forschungsgebieten, gut ausgerüstete Forschungseinrichtungen und kompetente Mitarbeiter geprägt. Deutschland hat viele verschiedene Forschungsstätten: Universitäten, nicht-universitäre Institute, Firmen und Institute, die vom Bund oder den Ländern betrieben werden. Dagegen hat China ein stark zentralisiertes Forschungssystem, das von der Zentralregierung organisiert und kontrolliert wird. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung beliefen sich 2014 in China auf 190 Milliarden Euro, was etwa 20 Prozent der weltweiten Investitionen ausmachte und fast genauso viel war, wie die EU ausgegeben hat. Die größten Herausforderungen für die Meereswissenschaften sowohl in China als auch in Deutschland liegen im Bereich der Nachhaltigkeit der Küsten- und Meeresökosysteme. Dies führt zu der Notwendigkeit Forschungsprogramme zu betreiben, die sich mit der Dynamik der Ökosysteme des tiefen Ozeans befassen, mit Austauschprozessen zwischen Atmosphäre und Ozean, zwischen Land und Ozean, sowie mit integrierten Meeresbeobachtungssystemen und wissenschaftlichen Experimenten.
  • HZG Hat sich die Wissenschaft in China in den letzten paar Jahren oder Jahrzehnten verändert und falls ja, wie?
  • Zhiyong Xie Ja, die Wissenschaft hat sich in China in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Die chinesische Regierung hat 2006 den Wert von wissenschaftlicher Forschung als Triebkraft für Innovationen und technologische Entwicklung anerkannt. Sowohl mittel- als auch langfristige Forschungspläne sind erstellt worden, die China bis 2020 in ein „wissenschaftliches Powerhouse“ verwandeln sollen. China hat große Anstrengungen unternommen, um sein Hochschulsystem zu erweitern und für Personal weltweit attraktiv zu werden. So unterstützt zum Beispiel das „China Scholarship Council“ (CSC) chinesische Studierende, die im Ausland studieren und junge ausländische Forscher, die in China studieren wollen. Herausragende Auslandschinesen und ausländische Forscher können unterstützt werden, damit sie ihr Forschungsprogramm in China durchführen können. Bislang war das HZG seit 2010 für mehr als 30 vom CSC unterstützte Doktoranden Gastgeber. Prof. Dr. Hans von Storch und Prof. Dr. Ralf Ebinghaus wurden 2013 zu Gastprofessoren an der Ocean University of China und 2014 an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Darüber hinaus hat die internationale Zusammenarbeit maßgeblich zugenommen: der „Zusammenarbeitswert“ hat laut Nature Index 2015 zwischen 2012 und 2014 um 31 Prozent zugenommen.
  • HZG Was sind die wichtigsten Umweltprobleme in den europäischen/deutschen und chinesischen Küstengebieten?
  • Zhiyong Xie Sowohl in China, als auch in Europa/Deutschland ist die Küsten- und Meeresumwelt die Grundlage für intensives soziales und wirtschaftliches Wachstum. Dies führt zu zahlreichen Aktivitäten im Bereich der Entwicklung und Nutzung mariner Ressourcen und zu starkem Druck auf die Küstenzonen. Die wichtigsten Umweltprobleme in den Küstengebieten sind Eutrophierung, organische Schadstoffe und Metallbelastung durch Industrie und Millionenstädte, Abnahme der Biodiversität, schrumpfende Meereshabitate und häufige natürliche und ökologischen Katastrophen. Das sich ändernde Klima kann all diese Belastungen verschärfen.
  • HZG Wie kann Forschung dazu beitragen, marine Ökosysteme und die menschliche Gesundheit besser zu schützen?
  • Zhiyong Xie Trotz signifikanter Verbesserungen bestehen weiterhin maßgebliche Unterschiede bei der Umweltqualität und der menschlichen Gesundheit zwischen China und europäischen Ländern. Der Schutz der marine Ökosysteme und der menschlichen Gesundheit sind große Aufgaben, die nicht ohne wissenschaftliche und technologische Unterstützung durchgeführt werden können. Forschung im Bereich der marinen Wissenschaften und Technologien ist unverzichtbar um unser Wissen über die natürlichen Prozesse des marinen Ökosystems und ihren Einfluss auf die menschliche Gesundheit weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse von Forschungsprogrammen können die wissenschaftlichen Grundlagen für Entscheidungsprozesse in Bereich der nachhaltigen Entwicklung liefern, integriertes Küstenmanagement und die Nutzung von Meeresressourcen verbessern und effiziente Werkzeuge für einen besseren Schutz der Meeresumwelt und der menschlichen Gesundheit zur Verfügung stellen.
  • HZG Gibt es einen Einfluss von Umweltverschmutzung auf die Nahrungskette? Sind Menschen direkt von Meeresverschmutzung betroffen? Was sind die wichtigsten / gefährlichsten Schadstoffe?
  • Zhiyong Xie Verschmutzung kann in die Küsten- und Meeresumwelt durch Flüsse und atmosphärische Depositionen eingebracht werden und besteht aus organischen Schadstoffen und Metallen. Eutrophierung kann zu einer Zunahme der Phytoplanktonbiomasse und daraus resultierenden Algenblüten führen. Schädliche Algenblüten können Giftstoffe produzieren, die andere Organismen beeinträchtigen und die Dynamik der Nahrungskette verändern. Darüberhinaus kann Eutrophierung eine Sauerstoffarmut verursachen, was zum Absterben von Fischen und benthischen Arten führen kann. Somit können Schadstoffe, die in die Küsten- und Meeresumwelt eingebracht werden durch eine Beeinträchtigung der Nutzung von Meeresressourcen, eine Abnahme der Biodiversität und der Fischvorkommen und die Herstellung von für Menschen gefährlichen Giftstoffen Menschen direkt beeinflussen. Unter den vielen marinen Schadstoffen gelten die persistenten organischen Schadstoffe als die wichtigsten und gefährlichsten auf Grund ihrer charakteristischen Langlebigkeit in der Umwelt, ihrer Fähigkeit zur Bioakkumulation, ihrer Giftigkeit und dem Potenzial über große Entfernungen transportiert zu werden.
  • HZG Welche Rolle spielt Mikroplastik für die Forschung und für die Gesundheit der Meeresumwelt?
  • Zhiyong Xie Plastikmüll im Meer und Mikroplastik waren unter den als von der UNEA als besonders problematisch identifizierten Themen. Es wird geschätzt, dass jedes Jahr acht Millionen Tonnen Plastik in das Meer eingetragen werden. Mikroplastik hat die Eigenschaft Schadstoffe wie persistente organische Schadstoffe (POPs) anzuziehen. Es könnte diese Chemikalien möglicherweise in entfernte Ozeanregionen transportieren. Werden diese Stoffe dann von Tieren aufgenommen, kann das Mikroplastik dazu führen, dass diese Chemikalien in die Systeme der Organismen übergehen. Der Umfang der Bioverfügbarkeit von in Mikroplastik gelösten POPs für Lebewesen und ihr Biomagnifikationspotential in der Nahrungskette sind nicht gut erforscht. Daher ist die Erforschung der Auswirkungen von Mikroplastik auf die Artenvielfalt und seiner potentiellen Giftigkeit für Fische, Seevögel und Meeressäuger ein wichtiges Thema.
  • HZG Welche Rolle spielen Schiffe für Meeresumweltverschmutzung?
  • Zhiyong Xie Schiffe können Schadstoffe auf vielfältige Weise in die Meeresumwelt einbringen, z.B. durch Ölverschmutzungen, Ballastwasser, sowie Verbrennen von Treibstoff und Müll. All dies sind signifikante Quellen von organischen Schadstoffen, Treibhausgasen, Ruß und Mikroplastik, die die Küsten- und Meeresumwelt beeinträchtigen.
  • HZG In Hinsicht auf Meeresforschung und marinem Umweltschutz: was kann China von Europa/Deutschland und was kann Europa/Deutschland von China lernen?
  • Zhiyong Xie Bilaterale Zusammenarbeit stellt einen wichtigen Kanal zur Förderung von Fortschritt im Bereich der Meereswissenschaften und der marinen Technologie zum Schutz der Meeresumwelt dar. China muss derzeit Kapazitäten für wissenschaftliche Meeresforschung, Beobachtung und Monitoring der Meeresumwelt und den marinen Umweltschutz entwickeln. Der Aufbau von Kapazitäten in China kann durch die Etablierung eines bilateralen Forschungsprogramms mit Meereswissenschaftlern aus Deutschland verbessert werden. Für deutsche Wissenschaftler sind vergleichende Studien über die Ozeanographie und biogeochemische Prozesse in chinesischen Randmeeren von Bedeutung. Bilaterale Forschungsprogramme für Küsten- und Meeresforschung in China eröffnen auch neue Forschungsfelder für deutsche Forschungseinrichtungen und Universitäten. Darüberhinaus wurden durch die Gemeinsame Erklärung zu Deutsch-Chinesischen Forschungsaktivitäten im Bereich der Meeresforschung (2013-2020), die zwischen dem BMBF und der Chinese State Oceanic Administration (SOA) unterzeichnet wurde, die Rahmenbedingungen für die Gestaltung der vorgeschlagenen Maßnahmen für ein bilaterales chinesisch-deutsches Forschungsprogramm im Bereich der Meereswissenschaften und der marinen Technologien geschaffen.

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Prof. Kay-Christian Emeis
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Oliver Weiner
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