Offshore-Windparks: Wechselwirkungen und lokales Klima
Mehr als 500 Offshore-Windenergieanlagen gingen allein 2015 in Deutschland ans Netz. Wie solche Windparks sich untereinander beeinflussen und sich möglicherweise auf das lokale Klima auswirken, ließ sich bislang nur mit Modellen annähern. Der großflächige Ausbau macht es nun erstmals möglich, diese Effekte in der Realität zu untersuchen: Sie sind Gegenstand des Forschungsprojekts „WIPAFF – Windpark-Fernfeld“, das Klimaforscher des Karlsruher Instituts für Technologie koordinieren und mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft umsetzen. Auch Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) nehmen an dem Projekt teil. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, den weiteren Ausbau der Windkraftnutzung in der Nordsee möglichst effizient und umweltverträglich zu gestalten.
Je nach Wetterlage „erholt“ sich die Windgeschwindigkeit hinter Offshore-Parks erst nach zehn bis 100 Kilometern: Mögliche Auswirkungen auf andere Parks und das örtliche Klima untersucht das Projekt WIPAFF [Foto: Fotolia/F.Schmidt]
Offshore-Windparks stellen auf der relativ glatten Meeresoberfläche Hindernisse für den Wind dar: Die Windräder bremsen ihn ab, Turbulenzen, also Luftunruhen, nehmen zu. „Je nach Wetterlage – das heißt abhängig etwa von Windrichtung, Lufttemperatur und Eigenschaften der Wasseroberfläche – erreicht die Windgeschwindigkeit manchmal erst nach zehn bis 100 Kilometern wieder ihren ursprünglichen Wert“, sagt Projektleiter Professor Stefan Emeis vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des KIT. Zudem sei es möglich, dass Luftmassen um große Windparks herum zur Seite oder nach oben abgelenkt werden. „Das kann etwa dazu führen, dass Windparks sich gegenseitig abschatten. Wir können auch nicht ausschließen, dass sich dadurch das Klima lokal verändert, bis hin zu Änderungen bei Temperatur-, Wolken- und Niederschlagsverteilung über der Nordsee und den angrenzenden Küstengebieten.“
Untersuchungen im Nachlauf von Offshore-Windparks in der Nordsee – also in dem Bereich hinter der Anlage mit geringerer Windgeschwindigkeit – sind Gegenstand des Forschungsprojekts WIPAFF, welches das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in den nächsten drei Jahren mit rund 1,75 Millionen Euro fördert. Weitere Partner neben dem KIT und dem HZG sind die Technische Universität Braunschweig, die Eberhard Karls Universität Tübingen und die UL International GmbH (vormals DEWI deutsches Windenergie-Institut). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen eine Reihe unterschiedlicher Methoden. Beispielsweise kombinieren sie für detaillierte Messungen des Windfeldes, der Wetterbedingungen und der Wellen auf der Meeresoberfläche vor und hinter Windparks die Daten von Instrumenten auf Plattformen in der Nordsee und aus einem Forschungsflugzeug mit der Auswertung von Satellitendaten.
Die Daten der Wellenmessboje fließen in numerische Modelle ein. Foto: HZG/ Christian Schmid
Ziel der Forscherinnen und Forscher am Institut für Küstenforschung des HZG ist die Untersuchung des Windfeldes mit Hilfe von Messdaten und numerischen Modellen für den Bereich zwischen 10 und 100 Kilometern hinter großen Windparks. Die Dynamik in diesem Bereich ist äußerst komplex und wird durch verschiedene Faktoren in der Atmosphäre und den Eigenschaften der Wasseroberfläche beeinflusst. Eine interessante Frage, die die HZG-Wissenschaftler zusammen mit Kollegen des IMK-IFU untersuchen wollen, ist die Rolle des Seegangs für die Rauigkeit der Wasseroberfläche. Diese Rauigkeit beeinflusst den Impulsfluss von der Atmosphäre in den Ozean, d.h. die Abbremsung der unteren Luftschichten in die Wasseroberfläche. In den bisher für die Modellierung der atmosphärischen Bedingungen im Bereich von Offshore-Windfarmen verwendeten Modellen ist dieser Effekt nur sehr grob nachgebildet. Das HZG betreibt hochaufgelöste Seegangsmodelle für die Deutsche Bucht, die Informationen über Wellenhöhe, Wellenlänge und Wellenausbreitungsrichtung liefern und die für diese Untersuchung verwendet werden. Ein weiterer wichtiger Teil der Arbeiten am HZG wird sich mit der Analyse von Satellitendaten beschäftigen. Die Radarsensoren der Satelliten TerraSAR-X und SENTINEL-1 liefern Informationen über die Rauigkeit der Wasseroberfläche, die mit der Windgeschwindigkeit in der wassernahen Luftschicht in Verbindung steht. Mit den Radarbildern dieser Satelliten können große Teile der Deutschen Bucht mit einer hohen räumlichen Auflösung abgebildet werden. In der Regel ist es sogar möglich, einzelne Windturbinen zu erkennen. Mit Hilfe dieser Daten sollen Abschattungseffekte durch Windfarmen für verschiedene Wettersituationen untersucht werden. Hierbei sind insbesondere die Distanzen, über die Windabschattungen in Abhängigkeit verschiedener Wettersituationen beobachtet werden können, von Interesse.
Kontakt:
Institut für Küstenforschung
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Max-Planck-Str. 1
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