Röntgenexperiment zeigt Verwandtschaft von 150 Millionen Jahre alten Dino-Eiern
Ein internationales Forscherteam führte an zwei Beamlines des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) in Hamburg sehr detailreiche Untersuchungen von Fossilien mit Synchrotronstrahlung durch. Die Ergebnisse zur Evolution von Dino-Eiern wurden kürzlich in Nature Scientific Reports veröffentlicht.
Dank Synchrotronstrahlung konnten Unterschiede in der Struktur der fossilien Eier nachgewiesen werden. Unten, gelb: Die 150 Millionen Jahre alten porösen Schalen vom Fundort Lourinhã, oben (orange) die "nur" 80 Millionen Jahre alten Eierschalen. [Bild: R.M. Martins]
Dino-Eier mit oder ohne Embryonen sind höchst selten. Weltweit existieren nur wenige Fundorte. Einer davon befindet sich nördlich der portugiesischen Hauptstadt Lissabon in Lourinhã. Die dort entdeckten fossilen Eier, aus einer 150 Millionen Jahre alten Gesteinsschicht, stammen von sogenannten fleischfressenden Theropoden. Zu diesen Urtieren zählt zum Beispiel der T-Rex, außerdem haben sich daraus die heutigen Vögel entwickelt.
„Weil das vorhandene Material so wertvoll ist, sollte es in den Untersuchungen mithilfe der Synchrotronstrahlung möglichst nicht beschädigt werden“, erklärt Dr. Norbert Schell, Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und verantwortlicher Leiter an der High Energy Materials Science Beamline (HEMS) am Speicherring PETRA III beim Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY).
Warum wird Synchrotronstrahlung benutzt?
Synchrotronstrahlung entsteht, wenn geladene Teilchen wie etwa Elektronen in einem Beschleunigerring kreisen: Immer, wenn die fast lichtschnellen Elektronen durch Magnete um die Kurve gelenkt werden, verlieren sie einen Teil ihrer Energie, indem sie einen hochintensiven Lichtstrahl aussenden. Dieser Lichtstrahl ist ein ideales Werkzeug für Wissenschaftler. Der Grund: Im Röntgenbereich ist das Licht aus dem Beschleuniger bis zu eine Million Mal heller als die Röntgenröhre in der Arztpraxis. Da die Wellenlänge dieser Strahlung deutlich kleiner ist als die von sichtbarem Licht, lassen sich nanometerfeine Strukturen und zum Teil sogar Atome erkennen.
„Mit unseren wissenschaftlichen Methoden und Instrumenten konnten wir zerstörungsfrei die fossilen Eier durchleuchten und Informationen über Struktur, Zusammensetzung und Porosität mit Einzelheiten im Mikrometerbereich liefern. Diese Versuche waren für uns etwas Besonderes. Normalerweise bekommen wir keine 150 Millionen Jahre alten Proben zu sehen. Häufiger durchleuchten wir moderne Materialien wie Motoren, neuartige Schweißnähte oder Supraleiter“, so Dr. Norbert Schell.
Diffraktion und Tomographie ermöglichen neue Sicht auf die Dino-Evolution
An der HARWI-Beamline wurden die ersten Experimente mit den Fossilien durchgeführt Foto: HZG/ Christian Schmid
Auf die innovativen Prüfverfahren des Helmholtz-Zentrums Geesthacht aufmerksam wurden die Dinosaurier-Forscher aus Portugal und Texas durch den Materialforscher Dr. Rui M. Martins. Der Portugiese arbeitet schon lange eng mit den Helmholtz-Forschern zusammen: Mit dem Dinosaurier-Experiment war er einer der ersten externen Nutzer an der im Jahr 2010 in Betrieb genommenen HEMS-Beamline. Damals wurden die Eischalen mit einem nur 100 Mikrometer großen Strahl bei hoher Röntgenenergie durchstrahlt, um ihre Struktur und chemische Zusammensetzung und diejenige der Nestumgebung anhand von Beugungsbildern, der sogenannten Diffraktion, zu untersuchen. Die Ergebnisse lassen auf ein Brutverhalten schließen, wie es heute noch bei Seeschildkröten vorkommt. Sie verscharren ihre Eier in Sandgruben, um sie so während des Ausbrütens vor Räubern zu schützen.
Die danach durchgeführten Tomographie-Experimente wurden an der HARWI II-Beamline des Helmholtz-Zentrums Geesthacht am DORIS-Speicherring in Hamburg gemacht. Dabei wurde unter anderem ein etwa fünf Millimeter kleines fossiles Fragment der Dino-Eier im Synchrotronstrahl in verschiedene Positionen gedreht und die Absorption des Strahls bestimmt. Rechnerbasierte Auswertungen einer Vielzahl solcher Tomographie-Schnittbilder ermöglichten anschließend die Visualisierung der Porenstruktur der Eierschalen sowie der Embryonen-Knochenreste mit einer Auflösung von nur 6 Mikrometern. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat etwa einen Durchmesser von 50 Mikrometern. Dazu Dr. Felix Beckmann, verantwortlicher HZG-Tomographieexperte an der HARWI II-Beamline: „Für uns waren diese Bilder nicht so verschieden von denjenigen, die wir sonst von Lurchköpfen oder Rissen in Schweißnähten aufnehmen“.
Das Forscherteam konnte mit seinen Untersuchungen eine Lücke in der Abstammungs-geschichte der Dinosaurier schließen, denn sie fanden heraus, welche Eigenschaften der Eierschalen und Knochen von den Vorfahren vererbt wurden und welche im Laufe der Evolution neu erworben wurden: Die Wissenschaftler stellten fest, dass die untersuchten Eier tatsächlich anders aussehen als bereits bekannte 80 Millionen Jahre alte Eier später lebender Saurier. Die Forscher konnten auf den detailreichen Bildern erstmals erkennen, dass die Eioberflächen mehr unregelmäßige Rippen aufweisen als die jüngeren Eier.
Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass die älteren Eier nur eine einzige äußere Schalenschicht und sehr viele Poren besitzen, damit ähneln sie Krokodileiern. Die jüngeren Theropoden-Eier haben zwei bis drei äußere Schichten, so wie heutige Vogeleier.
GEMS – Der wissenschaftliche Blick in das Detail
An der HEMS-Beamline lassen sich auch Experimente mit großen Bauteilen durchführen, hier im Bild ein Motorblock. Foto: HZG/ Christian Schmid
Synchrotronstrahlung – eine besonders brillante Röntgenstrahlung - dient jedoch nicht nur der Erforschung von Fossilien: An den Beamlines des Helmholtz-Zentrums Geesthacht werden vor allen Dingen Metalle, Kunststoffe und Biomaterialien analysiert. Gebündelt werden die Aktivitäten im „German Engineering Materials Science Centre“ (GEMS). Die Forschungsplattform des Helmholtz-Zentrums Geesthacht stellt internen und externen Nutzern aus aller Welt die Forschungsinstrumente zur Verfügung.
Wie im Fall der Dino-Eier beraten die Helmholtz-Wissenschaftler nicht nur die Nutzer, sondern sie führen wissenschaftliche Versuche durch und werten die Ergebnisse aus bzw. liefern Tomographiebilder. Für die Forscher des Helmholtz-Zentrums Geesthacht war dies ein ungewöhnlicher Ausflug in die Evolution von Dinosauriern.
Der Alltag lässt sie längst wieder ihren Blick auf Materialfragen für die Zukunft lenken und darauf, wie sie mit ihren Instrumenten, Methoden und ihrem Know-how, zu deren Lösung beitragen können - egal ob für Kollegen aus Geesthacht, externe oder industrielle Nutzer.
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