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| Pressemitteilung

Krise in der Kälte

Forschende formulieren die „Berliner Erklärung“ zum Schutz der Polargebiete vor besonders langlebigen Schadstoffen

Die Polargebiete sind einer zunehmenden Belastung von Schadstoffen ausgesetzt. Unter Federführung des Helmholtz-Zentrums Hereon und des Umweltbundesamtes (UBA) formulierten nun Expertinnen und Experten der Europäischen Kommission, des Stockholmer Übereinkommens, des Arktischen Rats und der Antarktisvertragsstaatenkonferenz, Umweltprobenbanken, Datenzentren sowie führender Forschungseinrichtungen die „Berliner Erklärung“. Die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen wurden jüngst im Journal Chemosphere veröffentlicht.

Ökologische Krisen wirken sich auch in den entlegensten Ecken der Erde aus. So sind die Polargebiete durch langlebige Schadstoffe stark belastet. Das können bekannte Chemikalien sein, es kommen aber immer mehr bisher übersehene Substanzen dazu. Die Autoren der Berliner Erklärung (Berlin statement on legacy and emerging contaminants in polar regions) heben als Ergebnis ihres internationalen Workshops hervor, dass Gegenmaßnahmen unterschiedlicher Akteure nötig sind, um die verursachte Belastung wirksam zu reduzieren.

Deshalb haben die Forschenden um Prof. Ralf Ebinghaus, Leiter des Hereon-Instituts für Umweltchemie des Küstenraumes, zehn Handlungsempfehlungen entwickelt und sie mit Vorschlägen zur konkreten Umsetzung versehen. Die Berliner Erklärung will Screening, Überwachung, Risikobewertung, Forschungszusammenarbeit und den offenen Datenaustausch fördern und so die polare Umwelt besser schützen. Der auf dem Workshop erzielte Konsens lässt sich in drei Worten zusammenfassen: „Handeln Sie jetzt!“

Die Empfehlungen:

1. Schärfung des Problembewusstseins in Politik und Öffentlichkeit
Klimawandel, Verlust der Biodiversität und Schadstoffbelastung hängen zusammen und stellen gemeinsam eine Gefahr für Ökosysteme dar, die sich in den Polregionen besonders auswirkt. Um das Bewusstsein für die Probleme der weit entlegenen Polargebiete zu wecken, müssen Medien und Bildungsprojekte die Probleme den Bürgerinnen und Bürgern nahebringen. Das Vorsorgeprinzip und die Strategien zur Überwachung, Abschwächung und Beseitigung der Schadstoffbelastung müssen indigenes und traditionelles Wissen berücksichtigen.

2. Anwendung des Vorsorgeprinzips
Das Vorsorgeprinzip ist ein Ansatz, der frühzeitige Entscheidungen zum Schutz der arktischen und antarktischen Umwelt ermöglicht: Zum Beispiel umsetzbare Maßnahmen auf der Grundlage automatisierter Erhebungen auf nationaler und internationaler Ebene, die das Ausmaß der Giftigkeit, Langlebigkeit und Umweltmobilität einzeln oder in Kombination mit einbeziehen.

3. Verbesserung der Vernetzung
Um aus Wissen Handlung abzuleiten, ist eine effektive Vernetzung und Kommunikation zwischen relevanten Akteuren und Interessengruppen nötig. So können Forschungsfragen zielgerichteter adressiert werden, die von den nationalen und internationalen Akteuren benötigt werden (z. B. Europäische Kommission, Europäische Chemikalienagentur, Stockholmer Konvention).

4. Bessere Nutzung von Überwachungsdaten
Bei ca. 350.000 registrierten Chemikalien ist eine Priorisierung wichtig, wenn das Gefährdungspotential für polare Ökosysteme im Vordergrund stehen soll. Hierzu sollten die Kriterien der internationalen Regulierung herangezogen werden, besonders Langlebigkeit und Reichweite. Wichtig ist, dass harmonisierte Daten über das Vorkommen an beiden Polen regelmäßig erhoben und veröffentlicht werden.

5. Aktualisierung der Paradigmen zum Schutz der Polarregionen
Die Zahl der Schadstoffe nimmt rasant zu. Das wirft die Frage auf, ob die bestehenden Ansätze zu Bewertung und Management von Chemikalien noch zeitgemäß sind. Problematisch ist, dass Schadstoffe vermehrt nachgewiesen werden, die an den Polen nach bisherigen Bewertungen nicht zu erwarten wären. Derzeit gelten mehr als 800 Substanzen als „potentiell bedenklich für die Arktis“.

6. Ausbau und Harmonisierung der Überwachung
Während das Monitoring in der Arktis durch nationale und regionale Programme etabliert ist, ist dies für die Antarktis bisher nicht der Fall, und eine systematische Probenahme und Datensammlung ist zu entwickeln. Für die Arktis müssen zunehmend lokale Schadstoff-emissionen untersucht werden wie Öl- und Gasförderung sowie Bergbau und Industrie, militärische Einrichtungen, kommunale Infrastruktur, Verkehr, Betrieb von Forschungsstationen, Großfischerei, Tourismus und Siedlungen.

7. Entwicklung innovativer Screening-Programme
Neben der klassischen, zielgerichteten chemischen Analytik sind neue Ansätze verfügbar, die zur Weiterentwicklung der Schadstoffüberwachung nutzbar sind. Zusätzlich zum breiten chemischen Screeningverfahren sind hier in erster Linie neue Modellansätze zur Wirkungsabschätzung sowie maschinelles Lernen zur Identifizierung neuer Problemstoffe zu nennen.

8. Ausbau von Umweltprobenbanken
Umweltprobenbanken sind nationale Einrichtungen, die formelle Programme und standardisierte Protokolle für die Sammlung, Verarbeitung und Archivierung von Umweltproben für die künftige Forschung entwickeln und anwenden.
Ihre Probenarchive bieten Möglichkeiten zur rückwirkenden Betrachtung und Bewertung zeitlicher und geografischer Veränderungen der Chemikalienbelastung der letzten Jahrzehnte. In der Arktis werden die Schadstoffprogramme schon systematisch durch Umweltprobenbanken unterstützt, für die Antarktis ist das ebenfalls dringend erforderlich.

9. Gewährleistung eines offenen Datenzugangs
Daten können heute schon von einzelnen etablierten Datenplattformen zu spezifischen Themen abgerufen werden oder sind in wissenschaftlichen Berichten oder Artikeln zu finden. Es fehlt allerdings ein zentraler, umfassender und offener Zugang zu Daten über Schadstoffe an den Polen. Generell gilt: Im Vergleich zur Arktis gibt es in der Antarktis erhebliche Datenlücken, die gefüllt werden müssen.

10. Einrichtung von digitalen Plattformen
Die digitale Einlagerung von Ergebnissen bereits vermessener Proben in langfristig zugänglichen Repositorien und virtuellen Umweltprobenbanken bietet neue Möglichkeiten für die nachträgliche Auswertung von Daten, wenn neue Methoden oder Erkenntnisse zu Schadstoffen in Polarregionen aufkommen.

Weitere Informationen


Kontakt


Prof. Ralf Ebinghaus

Institutsleiter

Institut für Umweltchemie des Küstenraumes

Tel: +49 (0)4152 87-1859

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Christoph Wöhrle

Pressereferent

Kommunikation und Medien

Tel: +49 (0)4152 87-1648

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