Technologie Hero Istock-1462646898 Wmaster890
| News

Vulkaneruptionen trotzen Vorhersagen

3D Bilder helfen, heftige vulkanische Ausbrüche zu verstehen und damit ihre Folgen zu mindern

Mehr als 800 Millionen Menschen leben weltweit in der Nähe eines aktiven Vulkans. Einige dieser Vulkane lassen keine genaue Vorhersage ihrer Ausbrüche durch Modelle zu. Dies gilt auch für die Colli Albani in Italien. Ein internationales Team unter der Leitung der Universität Genf (UNIGE), an dem Forschende von DESY und dem Helmholtz-Zentrum Hereon beteiligt waren, lüftet dieses Geheimnis mit einer Innovation: Der Analyse von Kristallen, die Spuren der letzten Eruption enthalten. Die im Journal of Petrology veröffentlichte Studie ebnet den Weg für neue Analysemethoden in der Vulkanologie und stärkt die Gefahrenabwehr.

Das Geheimnis steckt im Magma

Die Colli Albani sind ein Ringgebirge vulkanischen Ursprungs in der Nähe der italienischen Hauptstadt Rom. Foto: Alessandro Musu

Die Colli Albani sind ein Ringgebirge vulkanischen Ursprungs in der Nähe der italienischen Hauptstadt Rom. Foto: Alessandro Musu

Die Überwachung von Vulkanen zur Vorhersage ihrer potenziell verheerenden Auswirkungen erfordert ein detailliertes Verständnis der Signale, die einem Ausbruch vorausgehen. Diese Aufgabe wird zur Herausforderung, wenn ein Vulkan den Vorhersagemodellen widerspricht - wie die Colli Albani, die nur 20 Kilometer von Rom entfernt liegen. Theoretisch sollte die Zusammensetzung ihres Magmas zu Eruptionen mit geringer Intensität führen. Die vergangenen Ausbrüche zeigen jedoch ein anderes Bild.

Magma enthält flüchtige Stoffe, vor allem Wasser und Kohlendioxid. Wenn es zur Vulkan-Oberfläche aufsteigt, werden diese flüchtigen Stoffe freigesetzt, und je zähflüssiger das Magma ist, desto schwerer kann das Gas entweichen. Die Zurückhaltung des Gases führt zu einem Druckanstieg und schließlich zu heftigen explosiven Eruptionen. Theoretisch sollte von den Colli Albani keine solche Gefahr ausgehen, da ihr Magma wenig zähflüssig ist. Dennoch kam es zu mehreren heftigen Eruptionen, zuletzt vor 355.000 Jahren, als sie immense Mengen glühende Asche und geschmolzenes Gestein in die Atmosphäre spuckten.

Um mehr zu erfahren, analysierte das Forschungsteam der UNIGE „Schmelzeinschlüsse“ aus dem Magma der letzten Eruption mit Hilfe von Röntgenstrahlung. Diese winzigen Magmatröpfchen, nur einen hundertstel Millimeter groß, waren vor der Explosion im Inneren von Kristallen eingeschlossen und bewahrten wertvolle Hinweise auf die Chemie des Magmas, dessen Wasser- und Kohlendioxidgehalt - Schlüsselfaktoren für die Explosivität - sowie dessen Temperatur und Druck. Insgesamt untersuchten die Forschenden 35 Kristalle mit 2000 Einschlüssen.

Ein innovativer Ansatz zur Untersuchung von Magma

Mikroskopische Aufnahme eines Kristalls. Dieses Mineral bildete sich in einer Magmakammer. Die schwarzen Flecken sind Schmelzeinschlüsse. Bild: Corin Jorgenson

Mikroskopische Aufnahme eines Kristalls. Dieses Mineral bildete sich in einer Magmakammer. Die schwarzen Flecken sind Schmelzeinschlüsse. Bild: Corin Jorgenson

Wissenschaftler der UNIGE arbeiteten hier mit mehreren Institutionen zusammen, darunter das DESY, die Universitäten Rom Tre und Bristol sowie das Helmholtz-Zentrum Hereon. Mit Hilfe des Teilchenbeschleunigerrings PETRA III bei DESY konnte das Team hochauflösende 3D-Röntgenbilder von Magmaeinschlüssen erstellen. PETRA III erzeugt intensive Röntgenstrahlung, um Materie im Nanomaßstab an verschiedenen Experimentierplätzen zu untersuchen - wie dem vom Hereon betriebenen, an dem das Experiment stattfand (Imaging Beamline P05).

„Dieser Ansatz ist ein Novum in der Vulkanologie, besonders bei der Untersuchung von Schmelzeinschlüssen. Er eröffnet neue Perspektiven“, erklärt Dr. Corin Jorgenson, Erstautorin der Studie und damals Doktorandin am Fachbereich Geowissenschaften der UNIGE-Fakultät für Naturwissenschaften, jetzt Postdoktorandin an der University of Strathclyde in Schottland.

Wertvolle Ergebnisse für die Prävention

Eine der wichtigsten Entdeckungen war das Vorhandensein vieler großvolumiger Blasen aus Wasser und Kohlendioxid in den Einschlüssen. Dies deutet darauf hin, dass die Colli Albani erhebliche Mengen an Gas enthielten. „Durch das überschüssige Gas ähnelte das Magma einem Schwamm, der komprimiert wurde, wenn sich zusätzliches Magma im Reservoir ansammelte, und sich bei Beginn der Eruption schnell ausdehnte - beides wesentliche Gründe für den unerwartet starken und explosiven Ausbruch“, erklärt Luca Caricchi, Professor für Petrologie und Vulkanologie am Fachbereich Geowissenschaften der UNIGE-Fakultät für Naturwissenschaften, der die Forschungsarbeiten leitete.

Diese Ergebnisse geben Aufschluss über den Mechanismus der Eruptionen der Colli Albani und unterstreichen die Bedeutung von 3D-Bildgebungsverfahren mit Synchrotronstrahlung in der Vulkanologie. Dieser Ansatz, der auch auf andere Vulkane anwendbar ist, wird das Verständnis der Magmaspeicherung und -entgasung vertiefen und gleichzeitig die Eindämmung vulkanischer Gefahren verbessern helfen.

Originalpublikation

Journal of Petrology

Weitere Informationen

Hereon-Institut für Werkstoffphysik Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY Universität Genf (UNIGE), in englischer Sprache Universität Rom Tre, in englischer Sprache Universität Bristol, in englischer Sprache

Kontakt

Prof. Martin Müller

Institutsleiter

Institut für Werkstoffphysik | Helmholtz-Zentrum Hereon

Tel: +49 (0)4152 – 87 1648

E-Mail Kontakt

Dr. Michael E. Stuckelberger

Wissenschaftler

X-Ray Nanoscience and X-Ray Optics | Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

Tel: +49 (0)40 – 8998 4216

E-Mail Kontakt

Christoph Wöhrle

Wissenschaftsredakteur

Kommunikation und Medien I Helmholtz-Zentrum Hereon

Tel: +49 (0)4152 – 87 1648

E-Mail Kontakt