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Forschungsschiff LUDWIG PRANDTL

40 Jahre auf See

Sanft wiegt sie auf den ruhigen Wellen der Elbe in ihrem Heimathafen Oortkaten hin und her und wartet auf das nächste spannende Abenteuer:
Das Hereon-Forschungsschiff LUDWIG PRANDTL.

Unser Forschungsschiff LUDWIG PRANDTL

Foto: Hereon/ Christian Schmid

Benannt ist das Schiff nach dem Physiker Ludwig Prandtl, dem es 1904 erstmalig gelang, mit einem Wasserkanal Strömungsvorgänge zu visualisieren. 1983 lief das Schiff in Hamburg vom Stapel. Heute nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die LUDWIG PRANDTL, um diverse Proben aus dem Wasser oder vom Meeresboden zu sammeln und sie hinsichtlich verschiedener Aspekte zu untersuchen. Aufgrund ihres geringen Tiefgangs (nur 1,7 Meter!) wird sie insbesondere in Flachwassergebieten eingesetzt – ein wichtiger Faktor für die Forschung an Flüssen und Küsten. Häufig kommt bei der Probennahme die Ferrybox zum Einsatz. Das ist ein Messgerät, das kontinuierlich Daten über unter anderem Temperatur, Salz- und Chlorophyllgehalt, über Trübung und Sauerstoffanteil des Wassers sammelt. Dafür nutzen die Forscherinnen und Forscher die Labore an Deck der LUDWIG PRANDTL sowie weitere Messgeräte.

Bald wird unser Forschungsschiff 40 Jahre alt. Da ist es an der Zeit, ihre schönsten Momente Revue passieren zu lassen.

Experimente und Messkampagnen

Dr. Jochen Horstmann entlässt einen Drifter.

Dr. Jochen Horstmann entlässt einen Drifter. Foto: Hereon/ Christian Schmid

Eine Fülle an Daten

Jedes Jahr werden zahlreiche Fahrten gemacht, um Daten zu sammeln und neue Kenntnisse zu erlangen. Die PRANDTL wird seit vielen Jahren für Untersuchungen auf der Elbe, Ostsee und Nordsee eingesetzt. Ein wichtiges Forschungsgebiet dreht sich um Nährstofftransport und -umsätze in der Elbe und ihrem Ästuar. Die ersten Untersuchungen zu Nährstoffumsätzen mithilfe modernster Isotopentechniken begannen im Jahr 2005 und werden bis heute fortgeführt. Neue Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Nährstoffeinträge wieder zunehmen – vor allem wegen intensiverer Landwirtschaft und Düngeeinsatz. Die Konzentration von Verbindungen wie Ammonium und giftigem Nitrit im Hafengebiet steigen dadurch auch an. Dies bedeutet zusätzlichen Stress für Fische und
andere Lebewesen. In der Elbe können die Wissenschaftler auf eine Fülle an Daten zurückgreifen, unter anderem Nährstoffe, pH-Wert, Salzgehalt und Temperatur und stabile Stickstoffisotope, die es den Forschern erlauben, die biogeochemischen Umsatzprozesse im Detail zu untersuchen und zu bestimmen. Die Untersuchungen sind die Basis vieler Publikationen. Das Forschungsschiff wird auch externen Forschungsgruppen bereitgestellt.

Der Messpfahl in der Oderhaff und die PRANDTL

Der Messpfahl in der Oderhaff (Ostsee) wurde in vier Metern Tiefe verankert, um mithilfe der Wellendynamik die Menge an Energie festzustellen, die durch eine Welle fließt. Foto: Hereon/ Christian Schmid

Messpfahl Oderhaff

Die LUDWIG PRANDTL hilft auch beim Ausbringen von festinstallierten Messgeräten: 2018 wurde ein Messpfahl im Oderhaff (Ostsee) in vier Metern Tiefe verankert, um mithilfe der Wellendynamik die Menge an Energie festzustellen, die durch eine Welle fließt. Die korrekte Beschreibung dieser komplexen Energieflüsse wird unter anderem für die Optimierung mathematischer Klimamodelle genutzt. An dem elf Meter hohen Messpfahl ist daher eine Laserapparatur namens „AirSeaPix“ befestigt. Damit konnten die Wissenschaftler Erkenntnisse über die Entstehung von Hurrikans sammeln. Der Messpfahl zeichnet in der Ostsee kontinuierlich Wellen und den Strom der Nebeltröpfchen auf, aber auch der Sauerstoff- und Kohlenstoffdioxidgehalt im Meer können durch die Messgeräte bestimmt werden.

Die LUDWIG PRANDTL in den Medien

Helmut Bornhöft

Kapitän Helmut Bornhöft hat das Schiff jahrzentelang gefahren. Foto: Hereon/Patrick Kalb-Rottmann

Uhrwerk Ozean

Viele Messkampagnen, an denen die PRANDTL teilnimmt, werden gar nicht oder nur wenig publik gemacht. Ein Medienauftritt allerdings machte das Forschungsschiff berühmt: Uhrwerk Ozean. Im Juni 2016 wurde das erste Mal in der Geschichte der Meeres- und Küstenforschung ein Zeppelin zur Untersuchung von Meereswirbeln genutzt, um herauszufinden, welche Rolle diese für den Energietransport und die Nahrungskette im Meer spielen. Die Wissenschaftler haben die Temperaturunterschiede an der Meeresoberfläche gemessen und das Farbspektrum des Wassers bestimmt. Messgeräte wie der Drifter, der Acoustic Doppler Current Profiler (ADCP) oder die Schleppkette unterstützten die Forschungsschiffe LUDWIG PRANDTL, Eddy und ELISABETH MANN-BORGESE bei der Untersuchung der Wirbel. Zahlreiche Daten wurden gesammelt und erstmalig konnte ein Wirbel von seiner Entstehung bis hin zu seinem Verfall vermessen werden.

www.uhrwerk-ozean.de

Die PRANDTL im Hafen

Foto: Hereon/Gesa Seidel

Forschung vor Anker

Zahlreich besucht ist die LUDWIG PRANDTL während unserer "Forschung vor Anker"-Touren. Seit 2009 werden die Arbeiten der Küstenforschung jährlich entlang der deutschen Nordsee- und Ostseeküste auf dem Forschungsschiff präsentiert. Jeder – ob jung oder alt – kann hier kostenlos einen Rundgang über das „Open Ship“ machen, Wissenschaftsluft schnuppern und Forschern Fragen stellen. Aber es gibt auch etwas zu tun: Die Gäste dürfen selbst Messungen durchführen und lernen so die Küstenforschung auf eine ganz andere Art kennen. Das sorgt stets für große Begeisterung und Beteiligung.

www.hereon.de/openship

Heiko Gerbatsch und Marco Schacht

Steuern jetzt das Schiff: Die Kapitäne Heiko Gerbatsch und Marco Schacht. Foto: Hereon/ Emma Lefebvre

Auf der Suche nach der Gottfried

Kaum zu glauben, doch in der Elbmündung bei Cuxhaven liegt ein Schatz. Im März 1822 sank dort das Schiff „Gottfried“ mit einer Fracht von hunderten altägyptischen Kostbarkeiten. Bis heute wurde der Schatz nicht gefunden – und das Schiff auch nicht. Im Sommer 2010 stellte das Hereon dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein die LUDWIG PRANDTL zur Verfügung, um die Ladung der Gottfried mit einem neuartigen, hydroakustischen Verfahren ausfindig zu machen. Für die Schatzsuche wurde unter anderem ein Seitensichtsonat genutzt. Es sendet Tonsignale aus, die vom Meeresboden zurückgestrahlt werden, um auffallende Objekte zu finden. Mithilfe des Sedimentecholots lässt sich im Computer ein vollständiges Bild des Meeresbodens darstellen. Unter optimalen Bedingungen – kein Wind, kein Wellengang und strahlendes Wetter – können die Forscherinnen sogar in den Boden hineinsehen. Die Suche brachte den erhofften Fund nicht ans Tageslicht. Doch die Experten geben nicht auf und suchen weiter nach dem Geisterschiff und seiner kostbaren Fracht.

Youtube - Auf der Suche nach der Gottfried

LUDWIG PRANDTL II

Gute Nachrichten für die Deutsche Forschungsflotte: Bund unterstützt Neubau des Forschungsschiffs LUDWIG PRANDTL II

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So könnte die nächste LUDWIG PRANDTL II aussehen. Grafik: Hereon

Bedingt durch das Alter des aktuellen Schiffs wird der Ersatz durch einen Neubau notwendig. Die LUDWIG PRANDTL II soll ein weites, interdisziplinäres Spektrum der Küstenforschung, Werkstoffforschung, Polymerforschung und Digitalisierung abdecken und damit vielfältig vom Hereon und seinen Partnern für Forschung und Lehre eingesetzt werden. Rund 13,5 Millionen Euro wird der Neubau kosten. Auf der LUDWIG PRANDTL II sind je ein Nass-, Elektro- und Außenlabor sowie ein Labor für Wasserstofftechnologie geplant, außerdem Beobachtungstechnologien mit autonomen Messgeräten, Instrumente zur Strömungsmessung und verschiedene andere flexibel einsetzbare Systeme. Im Antriebskonzept des Schiffes werden am Hereon in Geesthacht entwickelte Metallhydridspeicher- Tanks aus der Werkstoffforschung zum Einsatz kommen. Mit Membranen aus der Polymerforschung soll der Schadstoffausstoß von Motoren, die auf der Verbrennung von Schweröl und Diesel basieren, durch die Aufbereitung der Ladeluft minimiert werden. Zusätzlich soll das Forschungsschiff ein völlig neues Informationssystem und Datenmanagement erhalten. Die Kiellegung ist für 2022 geplant.

Pressemitteilung zur LUDWIG PRANDTL II vom 26.11.2020


Autorin: Charleen Schwabe (Hereon)
Erschienen in der in2science #10 (Dezember 2020)