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Der Kampf gegen Bakterien, Viren & Co

Mehr als zehn Milliarden Kubikmeter Schmutzwasser fließen jährlich durch Deutschlands Kanalisation. Im letzten Schritt der Wasseraufbereitung, der Ultrafiltration, können Hohlfasermembranen genutzt werden, welche die Verunreinigungen herausfiltern. Doch bereits nach kurzer Zeit sitzen die Membranen voller organischer Substanzen und müssen gereinigt werden. Damit das in Zukunft nicht mehr nötig ist, wird den Membranen ein weiterer Bestandteil hinzugefügt, der schmutzabweisend wirkt. Eine, die Bakterien & Co den Kampf angesagt hat, ist Lara Grünig. Sie forscht am Institut für Polymerforschung in Geesthacht.

Lara Grünig

"Dass dieses Prinzip funktioniert, haben wir in zahlreichen Tests zeigen können. Was wir jetzt herausfidnen müssen, ist das perfekte Additiv." - Lara Grünig. Foto: Hereon/ Rolf Otzipka

Bei der Trink- sowie auch Abwasseraufbereitung werden schon seit vielen Jahren Hohlfasermembranen verwendet. Bei Ultrafiltrationsmembranen sind die Poren zwischen einem und 25 Nanometern im Durchmesser klein. Damit sind sie so fein, dass selbst Bakterien und Viren von ihnen aufgehalten werden. Das Abwasser fließt dabei durch Module, in denen sich die Hohlfasern befinden. Das Wasser, das durch die Trennschicht der Membranen fließt, ist sauber, es ist das sogenannte Permeat.

Doch bereits nach wenigen Tagen setzt sich auf der Membran ein Filtrationskuchen aus zurückgehaltenen Verunreinigungen ab und verblockt so die offenen Poren. Organisches Material und Mikroorganismen, also Viren, und Makromoleküle wie Zucker, setzen sich in der porösen Struktur fest. Dieser Vorgang wird Fouling genannt.

Lara Grünig erklärt: „Bislang gibt es zwei Möglichkeiten, die Fasern zu reinigen: Eine ist, die Membranen von außen rückzuspülen. Dieses Vorgehen kann jedoch nur die oberflächlich festgesetzten Substanzen entfernen. Diejenigen, die tief in die Porenstruktur eingedrungen sind, bleiben in der Membran. Deshalb wird zusätzlich mit chemischen Reinigern gearbeitet. Die meist chlorhaltigen Gemische können das Material, aus dem die Membran gefertigt ist, zersetzen und sind zudem umweltschädlich. Außerdem sind Membranen mit geringer Neigung zum Fouling wirtschaftlicher, da für die gleiche Menge an gereinigtem Wasser weniger Membranen benötigt werden. Die Anlagen werden dadurch kleiner und günstiger. Wir müssen also eine andere Lösung finden.“

Hohlfasermembran Grafik

Links in der Grafik ist das Grundprinzip der Abwasserreinigung mithilfe von Hohlfasermembranen dargestellt. Im mittleren Abschnitt wird gezeigt, dass sich in einer Hohlfasermembran ohne Additiv Viren und Bakterien ablagern (Fouling). Dadurch fließt weniger Wasser durch die Poren der Membran. In der rechten Abbildung ist die Hohlfasermembran mit dem Additiv, einem Blockcopolymer, abgebildet. Dieses maßgeschneiderte Polymer verhindert, dass Bakterien und Viren die Poren zusetzen, wodurch der Permeatfluss erhöht wird.
Grafik: RoseFlohr Kommunikation

Kunststoff-Additive verhindern Ablagerungen

Im Rahmen ihrer Promotion arbeitet Lara Grünig, Doktorandin in der Abteilung Materialcharakterisierung und -verarbeitung (PMM) am Hereon, gemeinsam mit der BASF SE, der Universität Duisburg-Essen, der inge GmbH und dem IWW Zentrum Wasser daran, die Membranen so zu verändern, dass Partikel und Organismen wie Bakterien sich nicht mehr anlagern können. Das vom BMBF geförderte Projekt „MABMEM“ (Material-Auswahl-Box für Hochleistungsmembranen) läuft seit Mai 2016.

Bislang besteht eine herkömmliche Hohlfasermembran, wie sie im Projekt untersucht wird, aus zwei Komponenten: einem Matrixpolymer und einem Porenbildner.

Das Matrixpolymer bildet die Stützstruktur; die Porenbildner dienen, wie der Name schon sagt, zur Erzeugung der porösen Struktur. Zu der Mischung, dem sogenannten Dope, aus der die Faser gesponnen wird, fügen die Wissenschaftler jetzt eine weitere Substanz hinzu: Ein Additiv, genauer ein funktionales, amphiphiles Blockcopolymer.

Lara Grünig entwickelt hält ein Gefäß mit Flüssigkeit. Sie entwickelt mehrere unterschiedliche Membranen

Foto: Hereon/ Rolf Otzipka

Das bedeutet, das Polymer besteht sowohl aus hydrophoben (wasserabweisenden) als auch aus hydrophilen (wasseranziehenden) Teilen. Der hydrophobe Anker wird in die eigentliche Faser eingebaut, die hydrophile Gruppe ragt heraus, ähnlich wie bei einer Bürste. Die Oberfläche der Membran wird somit hydrophil funktionalisiert und verhindert merklich, dass sich Viren & Co in der Membranstruktur festsetzen.

„Dass dieses Prinzip funktioniert, haben wir in zahlreichen Tests zeigen können. Was wir jetzt herausfinden müssen, ist das perfekte Additiv, das die organischen Komponenten am effizientesten abstößt“, so Grünig. Deshalb probiert sie im Labor diverse Varianten aus, nimmt verschiedene Additive, variiert die Blocklänge der Polymere. 50 verschiedene Membranen hat sie schon produziert, für jede benötigt sie etwa drei Stunden „Spinnzeit“ im Labor. Zum Schluss erhält sie dann jeweils 200 Meter Hohlfaser, die in 50 Zentimeter große Stücke geschnitten werden. Sobald die Fasern hergestellt sind, werden sie genauestens charakterisiert.

Erste Einsatztests für 2018 geplant

Jede dieser Membranen wird zunächst Labortests an der Universität Duisburg-Essen unterworfen. Dort wird sie unter Extrembedingungen geprüft. Wenn sämtliche Additiv-Varianten analysiert sind, geht es für die vier besten, ausgewählten Membranen in die Bewährungsprobe: Im April 2018 werden diese Pilotmembranen vom Projektpartner IWW an mindestens zwei Standorten, einer Kläranlage und einer Talsperre, eingebaut und unter Realbedingungen mehrere Monate getestet.

Wasseraufbereitung in Entwicklungsländern

Wenn die Membranen die Tests bestehen, könnten sie in Zukunft in sämtlichen Wasserwerken eingesetzt werden. „Besonders für Entwicklungsländer, in denen Wasserknappheit herrscht, wäre das ein großer Schritt“, sagt Grünig. Meistens gibt es nicht grundsätzlich zu wenig Wasser, sondern zu wenig Trinkwasser. „Dieses wird zum Beispiel aus Salzwasser mittels Umkehrosmose gewonnen. Bevor das jedoch passiert, muss auch das Salzwasser ultrafiltriert werden, damit aus dem partikelfreien Wasser nur noch das Salz extrahiert werden muss.“


Autorin: Gesa Seidel (Hereon)
Erschienen in der in2science #5 (Dezember 2017)