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Lückenfüllen für Fortgeschrittene

Eine Autokarosserie, die kleine Dellen selbstständig ausbeult. Eine Metalltür, die Stickoxide unschädlich macht. Ein Schiffsrumpf, der Pestizide aus dem Wasser entfernt oder Implantate, die antibakteriell sind. Noch klingt das nach Zukunftsmusik, doch weltweit forschen Wissenschaftler an neuen Verfahren, damit solche intelligenten Materialien eingesetzt werden können. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Helmholtz-Zentrums Hereon beschäftigen sich im Rahmen zweier EU-Projekte und in einem deutsch-chinesischen Projekt mit der Entwicklung solch multifunktionaler Oberflächen von Magnesium oder Aluminium.

Maria Serdechnova untersucht die Knochenschraube im Magnesiumbad.

Maria Serdechnova untersucht die Knochenschraube im Elektrolyt-Bad. Foto: Hereon/Christian Schmid

Diese Oberflächen können zum Beispiel photoaktiv sein, das heißt, die Oberflächen nutzen Sonnenlicht, um chemische Substanzen umzuwandeln. Oder sie sind wärmeleitfähig beziehungsweise besitzen elektroleitfähige Eigenschaften. Gleichzeitig schützen die Beschichtungen das Material vor Korrosion.

Das Prinzip dieser Oberflächenbehandlung erscheint simpel: Ein Metallstück taucht in ein Elektrolytbad und eine Spannung wird angelegt. Dadurch überzieht sich das Material mit einer harten keramischen Schicht. Bei der Plasma-Elektrolytischen Oxidation (PEO) steckt die Wissenschaft im Detail: Durch den Einsatz von Plasma wird die Oberflächenstruktur selbst verändert. Das führt zu einer harten, gut haftenden Schicht, die mit einer Vielzahl von zusätzlichen Eigenschaften ausgestattet werden kann.

Plasma-Elektrolytischen Oxidation

Die Hereon-Wissenschaftlerin im Bereich „Korrosion und Magnesium-Oberflächentechnik“, Dr. Maria Serdechnova erklärt: „PEO-Schichten zeichnen sich durch komplexe Mikrostrukturen aus: Mit Plasma verändern wir die Oberflächen und erhöhen unter anderem die Härte, Abriebfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit. Außerdem erfolgt die Schichterzeugung in einer wässrigen Lösung, ohne Zusatz von giftigen Stoffen wie etwa Chromaten. Das Verfahren ist daher besonders umweltfreundlich.“ Gleichzeitig ermöglicht PEO, diverse Nanopartikel sowie Doppelhydroxide (LDH) in die porösen Keramikschichten einzubringen. Erst dadurch entstehen die gewünschten photoaktiven oder weiteren Eigenschaften der Oberflächen. Eine davon wird im EU-Projekt ACTICOAT erforscht: Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Poren mit Korrosionsinhibitoren, also Hemmstoffen, zu füllen, sodass umweltfreundliche Schutzschichten für die Leichtmetalle Magnesium und Aluminium entstehen.

Maria Serdechnova: „Um diese empfindlichen organischen Moleküle in die entstandenen Nanocontainer einzusetzen, sind spezifische Änderungen der Spannung und der Prozessgestaltung notwendig. Es ergeben sich viele schwer vorhersehbare Aspekte. “In den Projekten werden mehrstufige Nachbehandlungen der Oberflächen beziehungsweise Schichten untersucht. Letztlich soll ein Teil der Partikel in geschlossenen Poren und ein Teil in off enen Poren vorliegen. Der Schutz erfolgt dann variabel durch Freisetzen der Inhibitoren bei Beschädigung der PEO-Schicht.

Ein weiteres Projektziel ist, neben der Entwicklung der funktionalisierten Materialien, der Technologietransfer in Schlüsselindustrien, wie etwa Fahrzeugbau, Medizintechnik oder Chemieindustrie. Daher bildet der Aufbau einer interdisziplinären Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Wirtschaft einen Schwerpunkt.

Die Projekte


Autorin: Heidrun Hillen (Hereon)
Erschienen in der in2science #9 (April 2020)