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Unterwegs in den Weiten der Wissenschaft: Johannes Bieser

Der Quecksilber-Experte

Dr Johannes Bieser

Grafik: iStock_wetcake, Foto: Hereon/C. Schmid

Dr. Johannes Bieser forscht im Bereich Stofftransport und Ökosystemdynamik am Institut für Küstenforschung

Dass Johannes Bieser Wissenschaftler aus Leidenschaft ist, merkt man sofort: „Aristoteles, Gottfried Wilhelm Leibniz, Leonardo da Vinci – von den großen Universalgelehrten war ich schon als Kind fasziniert“, erzählt er. Sie haben so viel gewusst, kannten sich in vielen Fachbereichen aus. „Das ist heute gar nicht mehr möglich, dafür haben wir als Gesellschaft viel zu viel Wissen und Informationen angesammelt.“ Doch trotzdem strebt Bieser an, möglichst viele Forschungsbereiche in seinen Arbeiten miteinander zu verbinden.

Ursprünglich kommt Johannes Bieser aus einer kleinen Stadt im Schwarzwald. Nach dem Abitur wollte er unbedingt die Großstadtatmosphäre erleben – für seinen Zivildienst ist er deshalb nach Hamburg gezogen. „Für mich war das einfach die coolste Großstadt in Deutschland“, erzählt er nun lachend. Dass er dort viele Jahre später mit seiner Familie dauerhaft leben wird, hat er damals noch nicht geahnt.

Die Entscheidung, welchen Studiengang er nehmen soll, war eine riesige Herausforderung für ihn: Von Molekularbiologie über Philosophie bis Musik war alles dabei. Schlussendlich hat der vielseitig interessierte Schwarzwälder Umweltwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg gewählt, da der Studiengang für ihn viele Disziplinen verbindet:

„Umweltwissenschaften zu studieren war für mich ein Versprechen, die Welt der Naturwissenschaften mit einem Bezug zur Gesellschaft und der Politik erforschen zu können.“

Schon während des Studiums baute der heute 35-Jährige Kontakt zum Hereon auf. Ralf Ebinghaus, Leiter der Abteilung „Umweltchemie“ am Hereon und Professor an der Uni in Lüneburg, schlug ihm 2005 vor, ein Praktikum in Geesthacht zu machen. Durch das Praktikum hat Bieser seine Liebe zur Computermodellierungen entdeckt. „Ich habe zwar als Kind schon programmiert und mit meinem Bruder Netzwerke aufgebaut – aber wie das so ist, habe ich vergessen, wie viel Spaß mir sowas machte.“ Seine Diplomarbeit und auch die Promotion schrieb er daraufhin am Hereon.

In der Dissertation ging es in erster Linie darum, ein europäisches Emissionsmodell zu erstellen. Um herauszufinden, wo bestimmte Schadstoff-Partikel herkommen, nutzen die Wissenschaftler zeitlich und räumlich hochaufgelöste Modelle. Dafür wird auf verschiedenste Datensätze zugegriffen, die anschließend wie ein Puzzle zusammengebastelt werden. Über die Landkarte wird dann ein Gitter gelegt. Für jede dieser Gitterzellen werden Daten gesammelt. „Wenn wir zum Beispiel wissen, wie viel Treibstoff ein Land verbraucht, wo Landwirtschaft betrieben wird und wie groß bestimmte Wälder sind, können wir all diese Daten und noch viel mehr miteinander verschneiden.“ In dem von Bieser programmierten Modell, kann er einzelne Parameter verändern. Er berechnet, was passiert, wenn wir weniger Auto fahren würden oder welche Auswirkungen es hat, wenn Wald gerodet wird oder der Fleischkonsum sinkt. Das Modell selbst ist für ihn nur ein Werkzeug, das Vorhersagen ermöglicht. Sein eigentliches Forschungsinteresse jedoch gilt dem Transport und der Umwandlung von Schadstoffen in der Umwelt. In seiner Promotion hat der Forscher das Emissionsmodell auf einen ganz speziellen Schadstoff angewendet: Benzo(a)Pyren, ein krebserregender Schadstoff, der vor allem bei Holzverbrennungen entsteht.

Heute beschäftigt sich der Umweltwissenschaftler hauptsächlich mit seinem Lieblings-Element: Quecksilber. Quecksilber ist ein einzigartiges Element – als Schwermetall ist es viermal schwerer als Eisen. Trotzdem ist sein natürlicher Aggregatzustand in der Atmosphäre gasförmig. Zudem ist es hoch toxisch und reichert sich als Methylquecksilber in der Nahrungskette an.

„Von seinen chemischen Eigenschaften her ist es einzigartig – in meinen Augen müsste es eine eigene Kategorie im Periodensystem bekommen. Außerdem gibt es nichts auf der Erde, wo sich nicht wenigstens in extrem winzigen Mengen Quecksilber finden lässt“,

schwärmt Bieser. Gerade deshalb sei es spannend zu untersuchen, wie es sich verteile. Dadurch, dass das Element nicht abgebaut werden kann und kaum stabile Bindungen eingeht, bleiben anthropogene Emissionen bis zu zehntausend Jahre im System. In den letzten 150 Jahren hat sich die Menge an Quecksilber in Luft und Wasser verfünffacht. Vor allem die Prozesse im Ozean sind noch weitgehend unerforscht. „Durch neue Messtechnik erhalten wir Daten, ohne die wir lange nur spekulieren konnten. Die Forschung im Bereich der Methylquecksilberverteilung hat gerade erst angefangen“, sagt Bieser. Auch zuhause in Sülldorf, am Stadtrand von Hamburg, wo Bieser mit seiner Frau und den beiden Töchtern lebt, beschäftige er sich oft noch mit seiner Forschung.

„Wenn Wissenschaft nicht eines deiner Hobbies ist – dann bist du auch kein richtiger Wissenschaftler.“

Ab und zu versinkt er dort total in seiner Arbeit. „Manchmal kann ich halt nicht anders“, erzählt er schmunzelnd. „Aber auf unserem Hof mit Katze, zwei Hunden, zwei Pferden und den Hühnern finde ich genug Ablenkung – da gibt es viel körperliche Arbeit im Freien.“ Dass die Umwelt ihm am Herzen liegt, zeigt sich nicht nur in seiner Arbeit: Familie Bieser ist begeistert im Bereich Foodsharing unterwegs. Wenn Johannes Bieser neben all dem noch Zeit findet, setzt er sich ans Klavier: „Das ist die einzige Beschäftigung, bei der ich wirklich alles andere ausblende.“


Autorin: Gesa Seidel (Hereon)
Porträt aus der in2science #6 (Juni 2018)