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Die Beschichterin

Wie man mit Polymerforschung die Luft verbessert

Dr. Juliana Clodt, Wissenschaftlerin in der Abteilung „Verfahrenstechnik“, Institut für Polymerforschung

Juliana Clodt

Illustration: Hereon/ Bianca Seth, Hintergrund: quniky - de.freepik.coma, Porträt: Hereon/ Steffen Niemann

Juliana Clodt steht vor einem großen Stahlgestell mit diversen Rollen, über die ein mehr als 200 Meter langes und bis zu 60 Zentimeter breites Vlies läuft. Dazu gehören noch verschiedene Schläuche und ein 100 Grad heißer Ofen. „Das ist sie – unsere Beschichtungsanlage“, stellt die 37-Jährige stolz vor.

Seit fast anderthalb Jahren lernt sie hier in der Halle von ihrem Kollegen Jan Wind, wie sie die Anlage steuern muss. Der Ingenieur geht bald in Rente, jemand muss so wie er jede noch so kleine Schraube an der Apparatur kennen – da ist die Chemikerin jetzt nah dran. „Diese große Anlage hat mir am Anfang ganz schön Respekt eingeflößt. Mittlerweile weiß ich jedoch ganz gut, an welchen Stellschrauben ich drehen muss, um die verschiedenen Schichten aufzutragen und den Membranen die gewünschten Eigenschaften zu verleihen“, erzählt sie.

„Es werden verschiedenste Anfragen aus Forschungseinrichtungen und der Industrie an uns gestellt, zum Beispiel für die Rauchgastrennung.“ Grundsätzlich sind die Membranen alle gleich aufgebaut: „Wir müssen zunächst eine Polymerlösung herstellen, die in der Membranziehmaschine auf ein Vlies gegossen wird. Dieses Vlies taucht dann in ein Wasserbad ein, wodurch die Membran gefällt wird und eine poröse Struktur entsteht. Anschließend wird die Membran gereinigt und in drei Schritten beschichtet“, erklärt die Wissenschaftlerin.

„Die gewaschene Membranrolle wird in die Beschichtungsanlage eingespannt und wir tragen zunächst eine silikonbasierte Drainage-Schicht auf. Anschließend kommt die eigentliche trennaktive Schicht. Von dem Polymer, aus dem diese extrem dünne Schicht (50 bis 100 Nanometer dick) hergestellt wird, benötigen wir nur sieben Gramm für die ganze Rolle. Dann folgt eine Deckschicht, um die Membran mechanisch zu stabilisieren. Bei jedem dieser Schritte sind die Zusammensetzung der Lösungen und die Einstellungen an der Maschine entscheidend für den Erfolg. Nach jeder Beschichtung rollt die Membran einmal durch den Ofen, um zu trocknen beziehungsweise zu vernetzen“, berichtet Juliana Clodt. Je nach Anforderung an die Membran kann an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden, um das Ergebnis zu optimieren. Manchmal weiß man sofort, was man verändern muss, oft ist das jedoch ein längerer Prozess.

„Ich brauche Abstand, um kreativ zu sein. Die besten Ideen kommen mir, wenn ich mich mit etwas ganz anderem beschäftige.“

„Im Jahr 2012 wollten wir eine Membran entwickeln, deren Porengröße sowohl über die Temperatur als auch über den pH-Wert gesteuert werden kann. Die Frage war: Wie schaffe ich es, ein Molekül, dass auf die Temperatur reagiert, an eine Membran anzudocken, die auf den pH-Wert reagiert? Beim Anmalen eines Luftballons für eine Geburtstagsfeier kam mir dann die Idee, welche chemische Reaktion ich dafür benötige“ – daraus wurde ihre erste wissenschaftliche Veröffentlichung am Hereon.

Als kleines Kind wollte Juliana Clodt gerne in der Landwirtschaft oder als Tierärztin arbeiten – der Wunsch lag nahe, da sie auf einem Bauernhof in der Nähe von Unna aufgewachsen ist. „Aber schon in der Schule fand ich dann Chemie toll – im Leistungskurs haben wir viel praktisch gearbeitet.“ Dem Weg folgend hat sie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Chemie studiert und dort auch promoviert.

„Gerade von der organischen Chemie war ich fasziniert. Herauszufinden, wie die Moleküle miteinander reagieren, hat mir immer Spaß gemacht.“

Der Bereich der Polymerchemie hat Juliana Clodt immer besonders interessiert. „Die Post-Doc-Stelle am Hereon kam 2011 wie gerufen.“ Dort hat sie gelernt, Blockcopolymermembranen herzustellen und einen Proteinmessstand aufgebaut. Seit 2016 arbeitet sie in der „Verfahrenstechnik“, wobei die Chemikerin sogenannte Dünnschicht-Kompositmembranen für die Gastrennung herstellt, momentan speziell für die Abtrennung des Treibhausgases Kohlendioxid. Die Mischung aus Schreibtischarbeit und der praktischen Arbeit in der Membranziehhalle sei für sie genau das Richtige.

Während der Promotion forschte die Chemikerin 2009 im Rahmen eines Graduiertenkollegs für ein halbes Jahr in Amsterdam. Spätestens da hat Juliana Clodt gemerkt: Sie gehört in eine Großstadt. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Hamburg. Ihr Mann und sie sind schon seit der Schulzeit zusammen, heute haben die beiden einen Sohn und eine Tochter. Für das Ehepaar war klar: „Um Haushalt, Kinder und Job kümmern wir uns gleichberechtigt. Wir arbeiten beide etwa 30 Wochenstunden – für die Kinder ist das ein Gewinn.“ Außerdem ist für die Mutter klar, dass Beruf und Arbeit getrennt werden. „Habe ich Feierabend oder Urlaub, bin ich im Normalfall nicht erreichbar. Anders funktioniert das für mich nicht.“

Wenn sie mal richtig frei hat, spielt sie gerne Gitarre mit ihrer Band. Und wer weiß, welche Ideen Juliana Clodt dabei für die Polymerforschung noch kommen?


Autorin: Gesa Seidel (Hereon)
Erschienen in der in2science #9 (April 2020)