Freiheit & Verantwortung
Was bewegt Klimaforscherin Dr. Daniela Jacob?

Credit: istock/Nicole Keller
Die Wasserkupe ist der höchste Berg der Rhön. Ein Rummelplatz für alles, was in die Luft will: Gleitschirme, Drachen, Segelflieger. Hier startet Daniela Jacob ihre Flüge.
Sie ist 14 Jahre alt, noch zu jung für einen Moped-Führerschein - doch das Segelflugzeug steuert sie selbst. „Da gab es diesen Mann vom Deutschen Wetterdienst. Er hat vormittags in der Wetterwarte gearbeitet - und konnte nachmittags fliegen, erzählt sie.
„Da wusste ich: Das ist der richtige Job für mich. Wenn ich groß bin, studiere ich Meteorologie!“
Als im April 2014 der 5. Weltklimabericht des IPCC veröffentlicht wird, steht in der Autorenliste der Name einer einzigen deutschen Klimaforscherin – der Name Daniela Jacob. Sie sitzt in der Talkshow von Reinhold Beckmann, um den Klimawandel zu erklären. Seit Juni leitet sie kommissarisch das Climate Service Center Germany, eine selbständige wissenschaftliche Organisationseinheit. Ein frühes Berufungserlebnis, eine erfolgreiche Karriere – man liest beide Lebensstationen – und sofort geht das Kopfkino los: von einem begeisterten Mädchen, das Regenstunden zählt, im Garten eine Wetterstation betreibt und die Daten abends säuberlich in ein Schreibheft überträgt. „Nein, nein“, lacht Daniela Jacob. „Ich habe mich als Teenager nicht damit befasst. Alles, was ich hatte, war ein Plan für die Zeit nach dem Abi.“ Immerhin: Sie wählt Mathe und Physik als Leistungskurse. Zahlen sind ihre Freunde. Sie beginnt ihr Studium in Darmstadt. „Dort habe ich anfangs aber mehr Politik gemacht als Meteorologie“, gesteht sie. Statt in der Bibliothek sitzt sie als Präsidentin im Studentenparlament und gründet 1983 die studentische Bundesfachtagung für Meteorologie. Diese Tagung existiert unter dem Kürzel „StuMeTa“ übrigens noch heute.
„Glücklich, so sagte der Philosoph Sokrates einmal, werden wir nur, wo wir unserer inneren Stimme folgen."
Doch welche Motive sind der Antrieb für Daniela Jacob? Studium statt Ausbildung; Fachschaftsarbeit statt Bücherfleiß; Forschung statt des sicheren Jobs beim Deutschen Wetterdienst - Daniela Jacob sagt: „All das waren Entscheidungen für die Freiheit." 1990 gründet sie mit ihrem Kollegen eine Beraterfirma für Windenergie. Damals ist sie noch Doktorandin bei der GKSS in Geesthacht. Die Leitung der Firma hat sie mittlerweile ihrem Mann überlassen. Wäre in der Wirtschaft nicht noch mehr Freiheit gewesen als in der Forschung? Die Antwort kommt schnell: „Doch, das war das einzige Mal, wo ich mich anders entschieden habe und die Thematik den Ausschlag gab." Das GERICS hat seinen Sitz mitten in Hamburg. Aus den Fenstern des Chilehauses blickt man hinunter auf den Burchardplatz, wo Passanten für Bananen und Seelachsfilet anstehen. Die Sonne blitzt zwischen den Wolken hervor. „Das Wetter interessiert mich im Grunde gar nicht", erkärt Daniela Jacob und hebt dabei die linke Augenbraue, wie fast immer, wenn sich Humor in ihre Worte mischt. „Das Klima interessiert mich dagegen brennend. Ich will vorausdenken, was kommen kann und mich dann fragen, wie man am besten damit umgeht." Gestalten, etwas hinterlassen - das ist ihr zweites Motiv. Deshalb ihre Entscheidung für die Forschung und gegen ein Leben als Unternehmerin:
„Gesellschaftliche Impulse lassen sich viel leichter aus der Wissenschaft setzen als aus der freien Wirtschaft.“
Einige dieser Impulse sind bereits im realen Leben angekommen: Wenn heute in Bayern oder an der Nordsee die Deiche erneuert werden, wird automatisch ein „Klimazuschlag“ mit einberechnet, der Damm also ein wenig höher gebaut. „Das gibt es nur, weil wir Klimaforscher es gefordert haben.“ Ihr drittes Motiv teilt sie mit fast allen anderen Wissenschaftlern: Man möchte ein „Baby“ hinterlassen. Eine Entdeckung, die mit der eigenen Arbeit verbunden ist. Bei Daniela Jacob trägt dieses Baby den Namen REMO. So heißt das von ihr entwickelte regionale Klimamodell. Sie kann damit vorausberechnen, wie sich das Klima in den kommenden Jahrzehnten vermutlich ändern wird – und warum diese Entwicklung etwa für Hamburg anders ausfallen könnte als für Geesthacht.
„REMO ist heute operationell, es wird von 40 Institutionen weltweit genutzt. Es ist eines der besten regionalen Klimamodelle überhaupt, stabil einsetzbar. Darauf bin ich stolz.“
Den eigenen Weg gehen, das hieß für Daniela Jacob immer: Auf die eigene Freiheit achten. Wissenschaft nutzen für die Zukunft. Modelle und Institutionen entwickeln, die dann von anderen weitergeführt werden können. So will sie auch das GERICS leiten, nicht zufällig ein Institut, das eigens für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft gegründet wurde. Und noch etwas ist ihr als Chefin wichtig: Möglichst keine Meetings vor 9.30 Uhr. Möglichst wenige Workshops an Wochenenden. Daniela Jacob ist Mutter einer 16-jährigen Tochter.
„Familie und Forschung - ich finde, dass es möglich sein sollte, beides zu haben."
Autor: Jochen Metzger
Porträt aus der in2science #1 (Dezember 2014)