Der Geheimagent unter den Forschern
Was bewegt Institutsleiter Prof. Burkard Baschek?

Foto: Hereon/ Christian Schmid
Prof. Burkard Baschek leitet den Bereich Operationelle Systeme am Institut für Küstenforschung.
Lange scheiterte die Wissenschaft daran, kleine Wasserwirbel zu erforschen: Zu kurzfristig bewegen sie die Oberfläche der Meere. Dem Ozeanografen Burkard Baschek gelang der Durchbruch – seitdem lassen ihn die Strudel nicht mehr los. Mit einer Mischung aus Hightech und Handwerk erforscht er heute das Phänomen.
Physik? „Das Fach habe ich in der Schule so früh wie möglich abgewählt“, sagt Burkard Baschek, weltweit anerkannter Meeresforscher – und Physiker. Der 49-Jährige grinst. Denn er weiß, wie überraschend seine damalige Abneigung heute wirken mag. Schließlich gilt er längst als einer der führenden Wissenschaftler für die Physik des Ozeans. Vor allem dessen Dynamik hat es ihm angetan: Baschek erforscht die kleinen Wirbel an der Meeresoberfläche. Sie treten unberechenbar auf, bewegen die Wasserschichten der See mit enormen Kräften – und lösen sich dann, schon nach wenigen Stunden, wieder auf. Kaum ein anderer Forscher studiert dieses Phänomen weltweit so intensiv wie Baschek, Institutsleiter am Institut für Küstenforschung am Hereon.
Doch als Kind fasziniert ihn eher die Biologie des Meeres,. „Bei meinem Zivildienst im Watt auf Sylt stellte ich aber fest: Mich interessiert nicht allein der Naturschutz“, erinnert sich Baschek heute zurück.
„Ich wollte das System Meer viel umfassender begreifen.“
Deshalb also doch ein Physikstudium, zunächst in seiner Heimatstadt Heidelberg, dann, nach zwei Jahren, wechselt Baschek nach Kiel, wo er physikalische Ozeanografie studiert.
Danach zieht es ihn in die Ferne, nach Kanada und in die USA: 13 Jahre lang forscht und lehrt er dort. Damals wird der Meereswissenschaft gerade erst bewusst, dass es eine noch unerforschte Triebkraft in den Ozeanen gibt: Rechenmodelle zeigen, dass sich überall auf den Weltmeeren kleine Wirbel bilden. Aber noch nie ist es gelungen, ihr Auftreten zu dokumentieren oder systematisch Messungen im Wasser durchzuführen – es fehlt die Idee, wie sich diese Daten gewinnen lassen. Denn die kleinen Wirbel zerfallen deutlich schneller als die großen Ströme der Meere, etwa der Golfstrom. „Messungen sind deshalb kaum zu planen“, erklärt Baschek, „sondern wir Forscher müssen spontan reagieren, sobald wir aus der Luft einen Wirbel sichten und dann möglichst viele Messungen durchführen.“
Seine Lösung dafür ist zunächst ein Spezialseil, an dem gleich mehrere Sensoren befestigt sind – diese Messleine zieht er mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit durchs Meer.
Außerdem schickt Baschek Flugzeuge gen Himmel, die mit speziellen Wärmebildkameras ausgestattet sind: Sie können Temperaturunterschiede von nur 0,03 Grad registrieren. So eröffnen sie den Blick dafür, wie sich die unterschiedlich temperierten Wasserschichten in einem Wirbel mischen. Bis heute ist dieses Messsystem einzigartig – und weltweit führend. Und tatsächlich gelingt es dem Forscher damit, zum ersten Mal Daten aus dem Inneren eines Wirbels aufzuzeichnen.
Es sind raffinierte Entwicklungen wie diese, die Baschek den Ruf als „James Bond-Wissenschaftler“ eingebracht haben: Er tüftelt gerne, erprobt sowohl den Einsatz modernster Technik (aktuell etwa: künstliche Pinguine und Augmented Reality-Brillen), kombiniert aber auch immer wieder einfache, altbekannte Geräte miteinander.
Doch Technik dürfe kein Selbstzweck sein, sagt Baschek, sondern müsse immer im Verhältnis stehen zum Ziel eines Forschungsprojektes. Für seine bislang bekannteste Expedition etwa, Uhrwerk Ozean, ließ er 2016 nicht nur Schnellboote, Flugzeuge und Unterwasserroboter starten, sondern auch einen Zeppelin quer über Deutschland bis zum Einsatzgebiet über der Ostsee schweben. Das brachte dem Projekt enorme Aufmerksamkeit ein, diente aber zuallererst der Forschung. Denn über dem Meer lassen sich Zeppeline wie kein anderes Fluggerät in der Luft parken. So erlauben sie einen optimalen, konstanten Blick auf die Meereswirbel. Bis heute ist dieses Messsystem einzigartig – und weltweit führend.
Expeditionen wie diese seien „Highlights im Leben eines Forschers“, sagt Baschek. Im vergangenen Jahr etwa reiste er mit Kollegen zu den Kapverden. Im Wasser vor der Inselgruppe untersuchte er den Nährstofftransport durch Wasserwirbel. Unklar ist, ob sie Nährstoffe auch aus unteren Meeresschichten in den oberen, licht-durchfluteten Bereich transportieren und damit das Wachstum von Algen anregen. „Derzeit vermuten wir, dass etwa die Hälfte des Phytoplanktons weltweit in den kleinen Meereswirbeln entsteht“, so Baschek. Entsprechend wichtig könnten die Strudel für das Leben im Meer sein.
Teamarbeit ist dem Institutsdirektor auf diesen Expeditionen besonders wichtig:
„Wir gewinnen doch alle dazu, wenn unterschiedliche Disziplinen gemeinsam auf eine Region oder eine Forschungsfrage blicken.“
Teamplayer ist Baschek aber auch privat: Er spielt Kanupolo und geht gerne mit Freunden auf Tauchgang, etwa am Great Barrier Reef. Die Korallen vor der Küste Australiens faszinieren den Forscher: „In ihrer Artenvielfalt zeigen sie uns sehr genau, was wir verlieren, wenn wir unsere Meere nicht schützen.“ Dass Häuser wie das Hamburger Tropenaquarium lebende Korallen zeigen und den Schutz wilder Riffe unterstützen, sei deshalb ein wichtiger Baustein für den Artenschutz, erklärt der Ozeanograf.
Doch so wichtig ihm der Austausch mit Freunden und Kollegen auch ist: Mitunter zieht sich Baschek gerne ganz zurück. Frühe Paddeltouren führten ihn bis nach Alaska, fünf Wochen fuhr er dort allein durch die Wildnis. „Dabei bin ich auch durch die Wirbel gepaddelt, die ich erforsche“, sagt Baschek. „Aber in solchen Momenten sehe ich nur die Natur: das Meeresleuchten und kalbende Gletscher, Orcas, die neben meinem Kajak auftauchen oder Bären, die am Ufer jagen.“ Da ist sie dann wieder: Die Begeisterung für die Biologie der Meere. In Gestalt eines Physikers.
Autorin: Jenny Niederstadt
Erschienen in der in2science #10 (Dezember 2020)