Wirtschaft & Wissenschaft eng verzahnt
Interview mit Henning Fehrmann, Geschäftsführer der Fehrmann Metallverarbeitung GmbH
Das Unternehmen von Henning Fehrmann stellt hochfestes Aluminium her – und arbeitet dabei eng mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon zusammen. Dessen Experten vom Zentrum für Hochleistungsmaterialien (ZHM) untersuchen die Legierungen mit empfi ndlichen Analysemethoden und Mikroskopietechniken. Das Ergebnis des zweieinhalbjährigen Gemeinschaftsprojekts: eine Aluminiumlegierung, die ebenso fest ist wie Stahl.

Foto: Hereon/ Christian Schmid
Herr Fehrmann, Ihre Firma produziert Hochleistungs-Aluminiumlegierungen. Was ist das Besondere an diesen Materialien?
Aluminium ist leicht und zugleich relativ kostengünstig. Deshalb werden immer mehr Werkstücke, bei denen es auf geringes Gewicht ankommt, aus Aluminium gebaut, etwa in der Automobilbranche, aber auch im Anlagenbau. Allerdings ist Aluminium – zum Beispiel im Vergleich zu Stahl – in seinen mechanischen Eigenschaften begrenzt. Wir versuchen mit unseren Legierungen, diese Eigenschaften zu verbessern. Schon vor längerem konnten wir eine Aluminiumlegierung entwickeln, die sich bei Belastung um bis zu zwölf Prozent ausdehnt und sich deshalb zum Beispiel in explosionsgefährdeten Bereichen einsetzen lässt, etwa bei Tanklastern oder Getreidetransportern. Und jetzt ist es uns gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon gelungen, in einem zweieinhalbjährigen Projekt eine neuartige Legierung zu entwickeln, deren Zugfestigkeit im Bereich von normalem Stahl liegt. Zum Vergleich: Gewöhnliche Aluminiumlegierungen sind nur etwa halb so fest wie Stahl.
Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon zustande gekommen?

"Aluminium – zum Beispiel ist
im Vergleich zu Stahl – ist in seinen
mechanischen Eigenschaften begrenzt. Gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon ist es uns gelungen, eine neuartige Legierung zu entwickeln, deren Zugfestigkeit im Bereich von normalem Stahl liegt."
Foto: Hereon/ Christian Schmid
Die Pläne für eine neue Hochleistungslegierung lagen bei uns schon länger in der Schublade. Anfang 2014 haben wir uns dann auf die Suche nach einem Partner gemacht. Dabei hat uns die Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg geholfen. Sie besucht die Unternehmen in der Region und befragt sie über ihre Bedürfnisse in Sachen Forschung und Entwicklung. Anschließend bietet sie den Firmen kostenfrei an, einen passenden Partner in der Wissenschaft zu finden. Sie war es, die uns den Kontakt mit den Hereon-Wissenschaftlern um Prof. Norbert Huber vermittelte. Schon bei den ersten Gesprächen haben wir gemerkt: Die Chemie stimmt, da sitzen Überzeugungstäter mit uns am Tisch, die sich auf das Projekt freuen und sich hundertprozentig engagieren. Ende 2014 reichten wir einen Antrag bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) ein. Mit ihrem PROFI-Programm unterstützt sie innovative Forschungs- und Entwicklungsprojekte von Hamburger Unternehmen. Seitdem arbeiten wir mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon zusammen, und diese Zusammenarbeit hat sich als exzellent erwiesen.
Wie sah die Arbeitsteilung aus? Was wurde in Ihrem Unternehmen erledigt, was im Zentrum für Hochleistungsmaterialien in Geesthacht?

"Eine fruchtbare und Produktive Zusammenarbeit- heraus kam eine spezielle Rezeptur- wir bezeichnen sie manchmal als unser Coca-Cola Rezept."
Foto: Hereon/ Christian Schmid
Bei uns haben wir die Legierungen entwickelt, die spezielle Rezeptur – wir bezeichnen sie manchmal als unser Coca-Cola Rezept. Solche Legierungen bestehen aus Aluminium, versetzt mit anderen Stoff en, überwiegend Metallen, von denen sechs bis acht für die mechanischen Eigenschaften ausschlaggebend sind. Wir müssen die Wechselwirkungen zwischen all diesen Bestandteilen genau kennen und den Herstellungsprozess im Detail beherrschen. Das geht nur mit jahrzehntelanger Erfahrung. Proben dieser neuen Legierungen haben wir dann nach Geesthacht geschickt. Dort wurden diese Proben mit den verschiedensten Methoden detailliert untersucht: Welchen Einfluss besitzen unterschiedliche Schmelzverfahren, wie sieht die Struktur des Gefüges aus? Welche Rolle spielen thermische Behandlungen, wie gut ist das Material schweißbar? Am Hereon gibt es die dafür geeigneten Analyseapparaturen und das Personal, das diese Methoden beherrscht. Dadurch haben wir uns in unseren Kompetenzen ideal ergänzt.
Wie haben Sie von der Arbeit der HereonForscher konkret profitiert?
Die Resultate der Hereon-Analysen bildeten die Grundlage für neue Optimierungsschritte. Zu Beginn hatten wir uns überlegt, welche Kombination von Metallen die gewünschten Eigenschaften bringen könnte. Dann haben wir Proben hergestellt und in Geesthacht untersuchen lassen. Auf Basis der Resultate konnten wir die Rezeptur verbessern, um sie dann wieder von den Forschern analysieren zu lassen. So näherten wir uns Schritt für Schritt der Top-Legierung. Viele Zwischenergebnisse haben wir gemeinsam diskutiert und sind zusammen auf Foren und Konferenzen gefahren, um uns auszutauschen und zu informieren. Eine fruchtbare und produktive Zusammenarbeit – ohne die Untersuchungen am Zentrum für Hochleistungsmaterialien in Geesthacht hätten wir das neue Material nie so gezielt entwickeln können.
Und wie sah das Ergebnis aus?

"Ich glaube, dass Gemeinschaftsprojekte, bei denen wir unsere jeweiligen Stärken zusammenführen, enorm wichtig für die Zukunft sind."
Foto: Hereon/ Christian Schmid
Nach zweieinhalb Jahren war die Legierung fertig, und sie ist besser geworden, als wir
zu Beginn des Projekts gedacht hatten. Anfangs hatten wir als Ziel formuliert, eine Aluminiumlegierung zu entwickeln, die korrosionsbeständig ist und eine Zugfestigkeit wie Stahl besitzt. Dieses Ziel haben wir sogar übertroffen, denn zusätzlich haben wir es geschafft, eine Bruchdehnung von 20 Prozent zu erreichen – das Material kann sich um 20 Prozent ausdehnen, bevor es bricht. Und auch mit der Schweißbarkeit sind wir sehr zufrieden. Das Soll ist also übererfüllt, und mittlerweile haben wir ein Patent auf die neue Legierung eingereicht.
Wo könnte die neue, hochfeste Aluminiumlegierung eingesetzt werden?
Vor allem dort, wo es auf niedriges Gewicht ankommt – und das ist bei rund 70 Prozent des Aluminiummarkts der Fall. Denn da unsere Legierung deutlich zugfester ist als gewöhnliches Aluminium, lassen sich viele Bauteile schlanker und damit leichter auslegen. Gegenüber herkömmlichen Legierungen rechnen wir mit einer Gewichtsreduktion von bis zu 50 Prozent. Zum Beispiel im Automobilbereich ließe sich Gewicht einsparen und damit Treibstoff und CO2-Emissionen. Elektroautos könnten leichter werden, was ihre Reichweite steigern würde. Windkraftanlagen könnten wirtschaftlicher gebaut werden. Auch manche Stahlbauteile ließen sich ersetzen, immerhin ist unsere Legierung genauso fest wie Stahl. Hier könnte es sogar Gewichtsvorteile von über 60 Prozent geben. Und: Positiv ist auch, dass unsere Aluminiumlegierung korrosionsbeständig ist und deshalb im Gegensatz zu vielen anderen Legierungen nicht mit einem Korrosionsschutz beschichtet werden muss.
Glauben Sie, dass solche Gemeinschaftsprojekte von Unternehmen und Forschungseinrichtungen künftig zur Regel werden können?

Foto: Hereon/ Christian Schmid
Ich sehe die Notwendigkeit, dass sich Wirtschaft und Wissenschaft besser vernetzen. Und ich hoffe, dass unser Projekt als Best-Practice-Beispiel sichtbar wird, das zeigt, wie gut so eine Kooperation funktionieren kann. Die Wissenschaft beklagt, dass die klein- und mittelständischen Unternehmen in Norddeutschland zu wenig forschungsaffin sind und dass es schwierig ist, ihre Methoden und Fähigkeiten in die Wirtschaft einzubringen. Ich hoffe, dass unser Projekt als Leuchtturm dient, um Berührungsängste auf beiden Seiten abzubauen. Denn nur wenn man 31 sich kennenlernt, kann man Vertrauen aufbauen. Und nur wenn man Vertrauen aufbaut, kann man miteinander arbeiten. Das Ziel ist eine engere Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft. Denn die Stärke der Wirtschaft ist, dicht am Markt zu sein und dessen Anforderungen zu identifizieren. Dagegen liegt die Stärke von Forschungseinrichtungen darin, neue Lösungen wissenschaftlich fundiert zu erarbeiten. Ich glaube, dass Gemeinschaftsprojekte, bei denen wir unsere jeweiligen Stärken zusammenführen, enorm wichtig für die Zukunft sind.
Ermutigt von dem Erfolg des ersten Projekts ist bereits eine neue Kooperation mit dem Zentrum für Hochleistungsmaterialen in Vorbereitung. Worum soll es diesmal gehen?

"Wir wollen unsere Hochleistungslegierungen nun für den 3D-Druck tauglich machen. Deshalb ist mein Unternehmen mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon eine strategische Allianz eingegangen."
Foto: Hereon/ Christian Schmid
Mein Unternehmen ist mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon eine strategische Allianz eingegangen, um die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Bei unserem neuen Gemeinschaftsprojekt dreht es sich um Hochleistungs-Aluminium für den 3D-Druck – wir sprechen von additiver Fertigung. Ausgangsstoff ist Aluminiumpulver, das dann per Laser zu Bauteilen verschmolzen wird. Ich bin überzeugt, dass dieser Fertigungsmethode künftig ein riesiger Markt gehört. Der Grund: Man hat bei der Konstruktion eines
Werkstücks deutlich mehr Freiheiten als mit den konventionellen Herstellungsverfahren, spart Material und damit Gewicht. Derzeit aber sind nur wenige Aluminiumlegierungen für die additive Fertigung geeignet. Deshalb wollen wir unsere Hochleistungslegierungen nun für den 3D-Druck tauglich machen und haben gemeinsam mit dem Hereon sowie dem Laserzentrum Nord und dem TÜV Nord ein Forschungsprojekt beim Bundesministerium für Forschung und Bildung beantragt. In dem auf zwei Jahre angelegten Projekt wollen
wir mehrere Legierungen für den 3D-Druck optimieren sowie zwei verschiedene Laserverfahren miteinander vergleichen. Am Ende sollen neue Aluminiumpulver stehen, die bereits vom TÜV zugelassen sind. Erste Tests haben bereits exzellente Ergebnisse geliefert. Deshalb sind wir optimistisch, dass auch dieses Gemeinschaftsprojekt zu einem Erfolg wird.
Das Interview führte der Wissenschaftsjournalist und Physiker Frank Grotelüschen in der Werkhalle von Henning Fehrmann in Hamburg.
Erschienen in der in2science #5 (Dezember 2017)