Trennen mit Kalkül
Interview mit Henning Scheel, Business Development Manager bei Flowserve SIHI in Itzehoe
Das Unternehmen, für das Henning Scheel arbeitet, produziert Membrananlagen, die unter anderem wertvolle Lösemittel rückgewinnen und schädliche Abgase abfangen. Dabei kooperiert er seit vielen Jahren mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon: Die Fachleute des Instituts für Polymerforschung haben die Basistechnologie entwickelt und unterstützen Flowserve SIHI regelmäßig bei der Entwicklung ihrer Produkte.

Maßanfertigung für Membrananlagen: Ein Blick in die Produktionshalle von Flowserve SIHI im
schleswig-holsteinischen Tönning. Foto: Hereon/Christian Schmid
Herr Scheel, wie funktionieren die Membranen, die sie in Ihren Anlagen verwenden?
Die Membranen bestehen aus speziellen Polymeren. Man darf sie sich nicht als Siebe mit winzigen Poren vorstellen, durch die Moleküle von passender Größe hindurchschlüpfen können. Stattdessen werden die Moleküle in der Membran gelöst und können durch sie hindurchwandern. Dadurch lassen sich die verschiedenen Stoffe eines Gasgemischs trennen. Voraussetzung ist ein Druckgefälle: Auf der Seite der Membran, auf der sich das Gasgemisch befindet, muss ein hoher Druck herrschen. Auf der anderen Seite, wo sich die zu trennenden Moleküle anreichern sollen, braucht man einen niedrigeren Druck. Die dafür nötigen Kompressoren und Vakuumpumpen stellt unser Unternehmen selbst her, das ist unser Kerngeschäft, das durch die Membranen ideal ergänzt wird. Die Grundlagen für die Membranen wurden vom Helmholtz-Zentrum Hereon erforscht. Deshalb erhält das Hereon für jede verkaufte Membrananlage Lizenzeinnahmen von uns – und zwar bereits seit den frühen neunziger Jahren.
Auf welchen Gebieten kommen Ihre Membrananlagen zum Einsatz?

Die funkelnagelneue Anlage wird im Werk zusammengesetzt. Foto: Hereon/Christian Schmid
Im Wesentlichen gibt es zwei Anwendungsfelder. Zum einen sind das Anlagen zur Rückgewinnung von Wertstoffen. Ein Beispiel: Bei der Produktion einer bestimmten Art von Polyethylen, einem der in Deutschland am häufigsten produzierten Kunststoffe, werden bei einem bestimmten Verfahren große Mengen des Lösemittels Hexan verwendet. Während des Prozesses verdampft ein Teil dieses Hexans und geht normalerweise verloren. Bei großen Fabriken kann das zu Verlusten von bis zu 18.000 US-Dollar führen – wohlgemerkt pro Tag! Unsere Membrananlagen können 99,9 Prozent des Lösemittels zurückgewinnen. Deshalb amortisieren sie sich schon nach kurzer Zeit, nach nur wenigen Monaten. Konkret wird dabei das zu trennenden Gas – ein Gemisch aus Stickstoff und Hexan – zunächst durch Kompressoren verdichtet. Dann strömt es durch einen Kondensator in zylinderförmige Module. Jedes dieser Module enthält bis zu 30 Quadratmeter an Membranen, sie haben die Form von Taschen. Das Gas strömt im Zickzackkurs durch das Modul und über diese Taschen hinweg. Dabei werden die Hexan-Moleküle in der Membran gelöst und so vom Stickstoff getrennt und danach wieder auf die Saugseite der Anlage gefördert und im Kondensator verflüssigt. Das auf diese Weise gewonnene Hexan lässt sich dann wieder für die Polyethylen-Herstellung verwenden. Auch der gereinigte Stickstoff wird wiederverwendet. Es kommt also ein Abgas in die Anlage, und zwei recycelte Wertstoffe kommen wieder hinaus.
Und das zweite Einsatzfeld?

Hereon-Polymerforscher optimieren die Membranen und unterstützen bei der Lösungssuche. Foto: Hereon/Christian Schmid
Das ist die Abluftreinigung. Ein gutes Beispiel dafür sind Benzindämpfe, die sich unweigerlich in einem Tanklager bilden: Gerade bei hohen Temperaturschwankungen verdampft ein Teil des Benzins in einem Tank. Früher wurden diese Dämpfe einfach durch Überdruckventile in die Luft geblasen. Heute müssen die Betreiber gesetzliche Grenzwerte einhalten und das Benzin aus der Luft herausholen. Dazu verwenden sie unsere Membrananlagen: Diese trennen das Benzin aus der Luft, in der Anlage werden die Dämpfe verflüssigt und wieder in den Tank zurückgeführt. Mit der Zeit amortisieren sich auch diese Anlagen für den Betreiber.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit dem Institut für Polymerforschung konkret aus?

Die Membrananlagen werden nach Kundenwunsch gefertigt. Foto: Hereon/Christian Schmid
Im Laufe der Zeit hat sich die Technologie stetig verbessert, insbesondere sind die Membranen deutlich selektiver geworden. Hierzu hat das Helmholtz-Zentrum Hereon einiges beigetragen. Wir kooperieren gleich auf mehreren Ebenen. Ein Beispiel: Fragt uns ein Kunde, ob er für einen bestimmten Prozess eine Membran einsetzen kann, erarbeiten wir für dieses spezielle Anwendungsszenario zunächst eine Machbarkeitsstudie. Wenn wir dabei nicht genau wissen, wie gut eine Membran unter den geforderten Temperatur- und Druckbedingungen funktioniert oder wie effektiv sich ein bestimmter Stoff mit einer Membran trennen lässt, besprechen wir das mit den Hereon-Experten und diskutieren gemeinsam über Lösungen. Danach können wir besser beurteilen, was geht oder was nicht.
Außerdem verwenden wir Software-Werkzeuge, die in Geestacht entwickelt werden. Damit können wir in einer Prozess-Simulation das Verhalten der Membran realitätsgetreu nachbilden – die Grundlage dafür, um eine Anlage richtig auszulegen und zu dimensionieren. Dieses Software-Modul wird ständig vom Institut für Polymerforschung weiterentwickelt, wodurch unsere Berechnungen im Laufe der Zeit immer genauer geworden sind. Und schließlich hat das Hereon mit den Jahren zahlreiche Stoffe in seinen Labors vermessen. Diese Messwerte dienen uns als Grundlage für die Berechnung einer Membran. Haben wir es mit einer neuen Substanz zu tun, beauftragen wir das Institut auch schon mal mit der Vermessung. Dabei ist es überaus hilfreich, dass ich früher einige Jahre in Geesthacht gearbeitet habe. Den heutigen Abteilungsleiter Dr. Torsten Brinkmann kenne ich noch aus diesen Tagen. Das hilft in der Kommunikation – wir sprechen eine gemeinsame Sprache.
Gab es auch schon gemeinsame Forschungsprojekte?

In den hohen weißen Behältern stecken die Membranen aus Geesthacht. Foto: Hereon/Christian Schmid
Ja, zum Beispiel beim Thema Kohlenstoffdioxid-Abscheidung. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts „MemKoR“ hat das Hereon eine zweistufige Membrananlage entwickelt, die Kohlenstoffdioxid aus den Rauchgasen von Kohlekraftwerken filtert. Dieses Kohlenstoffdioxid könnte man im Prinzip als Grundstoff für Polymere nutzen. In unserer Produktionshalle im schleswig-holsteinischen Tönning haben wir diese Anlage mitsamt Steuerung und Analytik im Auftrag des Hereon gebaut und später modifiziert. Getestet wird sie unter anderem in einem Kraftwerk in Karlsruhe.
Außerdem waren wir gemeinsame Partner in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertem Forschungsprojekt namens „Mixed-Matrix-Membranen für die Gasseparation“. In Grundlagenexperimenten hatte das Hereon beobachtet, dass die Selektivität einer Membran steigt, wenn man Aktivkohle in das Membranpolymer mischt. Im Rahmen des Projekts des Bundesministerium für Bildung und Forschung wollten wir gemeinsam mit der TU-Berlin und dem Aktivkohle-Hersteller Blücher herausfinden, inwiefern sich dieser Effekt in eine industrielle Pilotanlage umsetzen lässt. Unser Part bestand darin, den Prozess zu berechnen und ihn bei einem Industrieunternehmen zu testen.
Was ist bei diesem Projekt herausgekommen?

Foto: Hereon/Christian Schmid
Es hat sich tatsächlich gezeigt, dass sich verschiedene Kohlenwasserstoffe besser voneinander trennen lassen als bei konventionellen Membranen. Zum Beispiel kann man höhere Kohlenwasserstoffe wie zum Beispiel Butan im Prinzip effektiver aus einem Gasgemisch abtrennen, um ein möglichst methanreiches Gas für die Verbrennung in einem Gasmotor zu erhalten. Allerdings benötigt man dafür relativ hohe Drücke, was das Einsatzfeld bislang einschränkt. Doch sollte sich ein Anwendungsgebiet dafür finden, wären wir als Unternehmen sehr daran interessiert, diese neuen Membranen in unseren Anlagen einzusetzen.
Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Zukunftsmärkte für die Membrantechnik? Was könnte mit neuen, besseren Membranen alles möglich sein?

Das Interview führte der Wissenschaftsjournalist und Physiker Frank Grotelüschen in der Produktionshalle von Flowserve SIHI
Foto: Hereon/Christian Schmid
Grundsätzlich suchen wir ständig nach neuen Anwendungsgebieten für unsere Anlagen. Zum Beispiel gibt es Stoffe, die mit den heutigen Membranen nicht getrennt werden können, weil sie die Polymere schlicht auflösen. Da hoffen wir auf Entwicklungen, die die Membranen stabiler machen – dann könnte man auch Stoffe trennen, die sich heute noch nicht verarbeiten lassen. Ebenfalls interessant wäre es, könnte man die Membranen temperatur- und druckstabiler machen. Hier hoffen wir auch in Zukunft auf wichtige Impulse aus dem Institut für Polymerforschung in Geesthacht.
Autor: Frank Grotelüschen
Erschienen in der in2science #7 (Dezember 2018)