Gemeinsam Pläne schmieden
Seit 2005 arbeitet Heinz-Peter Reichel in unterschiedlichen Projekten mit dem Magnesium Innovations Center MagIC im Hereon zusammen. In dieser Zeit sind verschiedene schmiedbare Legierungen auf Magnesiumbasis für Anwendungen in der Flugzeug- oder Fahrzeugindustrie sowie Medizintechnik entstanden. Mit Dr. Norbert Hort, Leiter der Abteilung Magnesiumprozesstechnik“ im Hereon, traf er sich zur Projektbesprechung in der Magnesium-Gießhalle des Hereon.

Foto: Hereon/Christian Schmid
Herr Reichel, können Sie sich noch an das erste Projekt mit dem Hereon erinnern?
Heinz-Peter Reichel: Angefangen hatte es 2005 mit einem Schmiedeteil aus Magnesium, das eine Benzin- und Benzolfeste Oberfläche haben sollte. Genutzt werden sollte es zum Beispiel für einen PKW-Tankeinfüllstutzen oder für die Tankklappe. Die Legierung war nicht weiter definiert, hier haben uns die Wissenschaftler aus Geesthacht eine neue Legierung entwickelt.
Was kam danach?

Seit fast 20 Jahren arbeitet Heinz-Peter Reichel (rechts) mit den Kollegen im MagIC zusammen. Foto: Hereon/Christian Schmid
Heinz-Peter Reichel: 2007 bis 2009 haben wir im Projekt MagBone zusammengearbeitet, es sollten Magnesium-Implantate für die Medizintechnik erzeugt werden. Der Werkstoff sollte bioabbaubar sein und irgendwann einmal als Knochenschraube dienen. Damals ging es um Blut-Interaktionen mit dem Material. Den Werkstoff hat Dr. Norbert Hort erfunden und patentieren lassen. Wir haben das Schmieden übernommen.
Herr Hort, können Sie mehr über das Projekt MagBone erzählen?
Norbert Hort: Im Projekt sollten Implantate aus einer Mischung von Hydroxylapatit und Magnesium hergestellt werden. Allerdings reagiert geschmolzenes Magnesium mit Hydroxylapatit und es kann giftiges Phosphin entstehen. Magnesium-Guss schied also aus. Daher haben wir die Magnesiumlegierung zusammen mit dem knochenähnlichen Stoff Hydroxylapatit in einer Kugelmühle gemahlen. Die Legierung musste dann verdichtet werden, damit daraus ein kompakter Metallkörper entsteht. Dieser massive Körper konnte durch die Firma LMpv weiterverarbeitet werden. Letztlich ist ein bioabbaubarer Knochenersatz entstanden.
Wie sieht eine typische Zusammenarbeit zwischen Ihnen aus?
Heinz-Peter Reichel: Für bestimmte Anwendungen brauchen wir häufig eine neue Legierung zum Schmieden. Die muss zunächst entwickelt werden; da kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ins Spiel. Das Hereon führt dann zum Beispiel einen großen Teil der Mikrostruktur-Charakterisierung durch, sei es im Elektronen-Mikroskop oder an den Hereon-Einrichtungen im Synchrotron. Die Legierungsentwicklung und -herstellung erfolgen also durch Norbert Hort und sein Team. Unser Unternehmen, die LMpv, macht daraus ein Band. Dann kommt die Weisensee ins Spiel, die dieses Band anschließend umformt, zum Beispiel schmiedet. Letztlich entsteht ein Bauteil wie diese Sitzstruktur für Flugzeugsitze. Das ist normalerweise das Projektende, wenn ein Demonstrator entstanden ist.
Was ist das Besondere an der Legierung für die Sitzstruktur?

Ein Teil eines Flugzeugsitzes aus einer Magnesiumlegierung: Dieser Prototyp ist in einem gemeinsamen Projekt entstanden. Foto: Hereon/Christian Schmid
Heinz-Peter Reichel: Das Bauteil, beziehungsweise die Legierung, ist auffällig weniger brandanfällig als herkömmliche Teile. Diese Legierung brennt erst bei mehr als 1.000 Grad Celsius, also rund 300 Grad später als Aluminium. Unsere Legierung hat aber den Nachteil, dass man sie nicht so gut schmieden kann. Das ist ein schöner Werkstoff zum Gießen, aber nicht zum Schmieden. Gegossene Strukturen besitzen aber leider völlig andere Eigenschaften als geschmiedete. Anders ausgedrückt: Der gegossene Sitz würde viel schneller zusammenbrechen als der geschmiedete, weil dieser die Last besser aufnehmen kann. In einem Folgeprojekt wollen wir uns daher mit der Dehnung des Metalls beschäftigen. Dazu geben wir Zusatzstoffe wie Silizium in die Legierung, die ungefähr 50 Nanometer kleingemahlen sind. Aber wir hatten enorme Schwierigkeiten, diesen Siliziumstaub davon zu überzeugen, dass er sich auflösen und untergehen sollte in der Schmelze. Das ist mit Milchpulver im Kaffee vergleichbar, der schwimmt auch manchmal obenauf. Und wenn man einen Löffel nimmt zum Umrühren, dann klebt die Hälfte am Löffel fest. Wir haben also noch eine Menge Arbeit vor uns.
Norbert Hort: Wir haben aber schon eine sehr gute Vorstellung, wie das gehen könnte. Wir haben Ideen, wie wir im Labormaßstab die Partikel einrühren können. Doch erst mit größeren Mengen können wir sehen, ob und wie diese Legierung schmiedbar ist und welche Eigenschaften diese dann hat. Hier kommt die LMpv als Partner für Anwendungen im größeren Maßstab in Frage. Das Material von der LMpv wird anschließend wieder mit unseren wissenschaftlichen Methoden untersucht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Heidrun Hillen (Hereon)
Erschienen in der in2science #8 (Juni 2019)