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Legierungsentwicklung mit Vorsprung

Im gerade gestarteten Projekt ADVANCE wird die Basis geschaffen, um neue Titanaluminid-Legierungen am Computer zu entwickeln.

Neues Hochleistungsmaterial für Flugzeuge

Im gerade gestarteten Projekt ADVANCE wird die Basis geschaffen, um neue Gamma-Titanaluminid-Legierungen am Computer zu entwickeln. Diese Stoffgemische aus Titan und Aluminium stellen eine neue Werkstoffklasse dar, deren Werkstoffverhalten sich bisher nur schwer vorhersagen lässt. Das will Katja Hauschildt, Werkstoffforscherin im Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG), ändern. Dafür beobachtet sie in ihren Experimenten unter Prozessbedingungen (in-situ) die strukturellen Eigenschaften der Legierungen im Dilatometer (Hochtemperatur-Präzisions-Ofen). Diese Ergebnisse werden zur Verbesserung einer Datenbank zur Berechnung der Legierungen verwendet.

Katja Hauschildt an der Experimentierstation am Synchrotron in Hamburg.

Katja Hauschildt an der Experimentierstation am Synchrotron in Hamburg. In der Hand hält sie die Probe - der Hochtemperatur-Präzisions-Ofen befindet sich in der Anlage rechts. [Foto: HZG/Heidrun Hillen]

Generell besitzen Gamma-Titanaluminid-Legierungen (γ-TiAl) eine hohe spezifische Festigkeit insbesondere bei hohen Temperaturen. Daher findet man sie zum Beispiel in Turbinenschaufeln von Flugzeugtriebwerken, in denen sie bei Temperaturen von bis zu 800 Grad Celsius eingesetzt werden.

Bei der neuen Klasse der Gamma-Titanaluminide kennt man die strukturellen Eigenschaften bei den Temperaturen, wo diese eingesetzt oder produziert werden, nicht exakt und kann somit das genaue Verhalten nicht vorhersagen. Deswegen werden bislang erst zwei dieser Hochleistungsmaterialien im Flugzeug eingesetzt.

Hochleistungsmaterialien im Flugzeug

Blick in's Experiment

Blick in's Experiment: Der spiralförmige Ofen wird den kleinen, metallischen Probenzylinder (hier mittig eingeklemmt) erhitzen. Über zwei dünne Thermodrähte ist die Probe mit der Apparatur verbunden. Die Synchrotronstrahl-Führung ist oben (orange) zu erkennen. [Foto: HZG/Heidrun Hillen]

Katja Hauschildt, Wissenschaftlerin in der Abteilung „Metallphysik“ im HZG-Institut für Werkstoffforschung, erklärt: „Die Flugzeugindustrie hat einen hohen Bedarf an neuen Materialien. Datenbank-basierte Systeme und spezielle Software kürzen radikal die Suche nach der geeigneten Zusammensetzung der Legierungen ab. Leider weiß man bei den meisten Gamma-Titanaluminiden noch nicht genug über die Wirkung der einzelnen chemischen Zusätze auf die strukturellen Eigenschaften.“

Das heißt, eine Simulation, also ein am Computer erzeugtes Legierungsmodell, funktioniert noch nicht hundertprozentig sicher.

Aufheizen der Legierungsproben liefert Daten

Analyse der Kristallstruktur eines Werkstoffs mittels Streuung von Synchrotronstrahlung

Analyse der Kristallstruktur eines Werkstoffs mittels Streuung von Synchrotronstrahlung (Diffraktion). Angewendet hier zur Bestimmung von Phasenanteilen in einer Titanaluminidlegierung.

Links oben im Bild: Rasterelektronenmikroskopische (REM) Aufnahme der Legierung, unteres Bild ist eine höher vergrößerte transmissionselektronenmikroskopische (TEM) Aufnahme. Rechts oben die Aufnahme der Diffraktion. In blau und grün dargestellt, die beiden vorliegenden Phasen und wie sie anhand des Signals der Diffraktion eindeutig zu identifizieren sind. Titanaluminidphase A (grün) mit hexagonaler Kristallstruktur und B (blau) mit tetragonaler Kristallstruktur. In den Mikrostrukturaufnahmen entspricht Phase A den hellen Bereichen und Phase B den dunklen Bereichen. Anhand dieser Diffraktionsmessungen lassen sich die Anteile der vorliegenden Phasen beim Heizen in der Probe bestimmen. Diese Ergebnisse werden für die Datenbank benötigt. [Grafik: HZG/Maren Wilfert/Katja Hauschildt]

Neben dem Herstellungsprozess beeinflussen die Legierungselemente entscheidend die Eigenschaften der Materialien. Wenn man weiß, wie die chemische Zusammensetzung einer Legierung die einzelnen Bestandteile ihrer Mikrostruktur bei verschiedenen Temperaturen bestimmt, lassen sich die wichtigsten Materialeigenschaften verstehen und vorhersagen.

Untersuchungen dazu werden an HZG-eigenen Messstationen am Deutschen Elektronen Synchrotron DESY in Hamburg gemacht. Mit hochenergetischem Röntgenlicht, dem Synchrotronstrahl, werden die γ-TiAl-Proben durchleuchtet. Vorteil dabei ist, dass nicht nur an der Oberfläche gemessen wird, sondern in das Material zerstörungsfrei hineingeblickt werden kann.

Katja Hauschildt: „In unserem Dilatometer untersuchen wir direkt im Röntgenstrahl das Aufheizen der Legierungsproben bis circa 1.300 Grad Celsius. Mit einem geeigneten Detektor können wir dabei bis zu zehn Aufnahmen pro Sekunde von den vorliegenden Kristallstrukturen machen.“

Die Wissenschaftlerin erhält somit bei verschiedenen Temperaturen gesicherte Informationen aus der Probe über die Mikrostruktur der Legierung. Diese Daten sollen später in die Datenbank einfließen und somit Simulationen verbessern.

Das ADVANCE-Konsortium

Im ADVANCE-Projekt (Sophisticated experiments and optimisation to advance an existing CALPHAD database for next generation TiAl alloys) werden in umfangreichen Tests detaillierte und genaue Phasengleichgewichtsdaten für eine Reihe von γ-TiAl-Legierungen generiert und Datenbanken und Software-Tools für die Legierungsentwicklung am Computer geschaffen.

Das ADVANCE-Konsortium besteht aus vier Partnern aus drei Ländern: als Koordinator die Thermo-Calc Software AB (TCSAB), Schweden; das Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH (MPIE), der Montanuniversität Leoben (MUL), Österreich und dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Zentrum für Material- und Küstenforschung GmbH (HZG). Außerdem ist die MTU-Aero Engines AG als weiterer Industriepartner und Anwender von γ-TiAl-Legierungen am Projekt beteiligt.

Das Projekt wird im Rahmen des europäischen Luftfahrtforschungs-Programms „Clean Sky 2“ unter der Zuschussvereinbahrungsnummer 820647 finanziert. Das Helmholtz-Zentrum erhält rund 250.000 Euro.

Kontakt:


Katja Hauschildt
Katja Hauschildt

Abteilung Metallphysik

Tel: +49 (0) 4152 87 2504

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Institut für Werkstoffforschung
Helmholtz-Zentrum Geesthacht

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Heidrun Hillen
Heidrun Hillen

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Helmholtz-Zentrum Geesthacht